Buchtipps Asien

 

 

 

 

 

 

Vicky Baum:

Liebe und Tod auf Bali

 

 
 

 

Lesenswerte Geschichte hinter unglücklich gewähltem Titel

  Wäre mir das Buch beim Stöbern im Buchladen zufällig in die Hände geraten, hätte ich es womöglich
schon nach einem flüchtigen Blick auf den unglaublich kitschig klingenden Titel sofort wieder ins
Regal zurück gestellt. Zum Glück aber bekam ich es als Lektüre für eine Reise nach Bali
geschenkt und wärmstens empfohlen und so begann ich schon während des Fluges nach Bali mit dem
Lesen. Dabei musste ich bald feststellen, dass der Titel in der Tat etwas unglücklich
gewählt ist – oder aber darauf abzielt, eine breitere Klientel anzusprechen.
Was laut Titel nach Schmachtfetzen klingt, entpuppt sich rasch als detailgetreue und zugleich
unterhaltsame Beschreibung des Lebens der Menschen auf Bali zur Zeit der holländischen
Kolonisation zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Anhand der Schicksale von Familien unterschiedlicher
Kasten erhält der Leser interessante Einblicke in ursprüngliche Sitten und Gebräuche sowie
in den Glauben der Menschen auf Bali.

Mit dem Blick in die Vergangenheit wird die „alte Zeit“ jedoch nicht etwa glorifiziert, sondern
ganz objektiv mit ihren Licht- und Schattenseiten dargestellt: Auf der einen Seite das harte
Leben der Reisbauern, die mitleidslose Rechtssprechung, die streng hierarchische Gesellschaftsordnung
sowie die von der Kolonialmacht ausgehende Bedrohung; andererseits aber zahlreiche frohe Feste,
Tänze und familiärer Zusammenhalt.

Vicki Baum beschreibt das Leben der Balinesen zur damaligen Zeit einfühlsam und sensibel
für deren kulturellen Eigenheiten und entwirft zugleich eine fesselnde Geschichte.

 

 

 

 

John Burdett:

Der Jadereiter

(engl.: Bangkok Eight)

 

 

 

  Noch ein Bangkok-Buch, wieder ein Krimi.
Und wie bei Bangkok-Krimis üblich führt auch dieser ins Milieu der Bordelle und des Drogenhandels und es gibt auch wieder
eine eifrig mitmischende FBI-Ermittlerin. - Klingt also alles erst einmal noch nicht außergewöhnlich.
Was den "Jadereiter" neben der eigentlichen Krimihandlung jedoch besonders macht, sind die zahlreichen
Einblicke in thailändische Lebensart respektive in buddhistische Denk- und Sichtweisen, die er dem Leser
ermöglicht. Dabei führt er ihn nicht nur ortskundig kreuz und quer durch die thailändische Metropole,
sondern auch auf manche interessanten Gedankengang.

Zur Handlung:

Protagonist Sonchai, einziger nicht korrupter Polizist der Royal Thai Police in Bangkok, ermittelt in einem
mysteriösen Mordfall, in dessen Zusammenhang auch sein Kollege und "Bruder" Pinchai ums Leben kommt, den er
zu rächen gedenkt. Da es sich bei dem Ermordeten um einen amerikanischen Marine handelt, schaltet sich auch das FBI in den Fall ein,
insbesondere in Gestalt der Ermittlerin Kimberly Jones. Wie könnte es auch anders sein kommt es im weiteren Handlungsverlauf 
zwischen den beiden so unterschiedlichen Ermittlern zu einigen Spannungen, doch gleitet der Roman dabei glücklicherweise nicht,
wie zu befürchten wäre, in eine klischeehafte Liebesgeschichte ab, sondern verfolgt weiter die Linie des anspruchsvollen
Kriminalromans vor exotischer Kulisse inklusive spannender philosophischer Ausflüge.

Zwar wirken Handlung und Charaktere stellenweise etwas überzogen und das Ende fällt leider etwas schwach aus, dennoch ein
durchaus lesenswertes, spannendes und unterhaltsames Buch, das trotz Themen wie Prostitution, Drogenschmuggel und Elend
Sehnsucht nach Bangkok macht. 

 

 

 

 

Colin Cotterill:

Dr. Siri und seine Toten

(engl.: The Coroner's Lunch)

 

 

 

 

Die perfekte Reiselektüre für Laos

Im kommunistischen Laos der 70er-Jahre wird der 72-jährige Protagonist Dr. Siri zwangsweise zum einzigen Leichenbeschauer
des Landes ernannt. Mit Unterstützung der Comic-begeisterten Krankenschwester Dtui, des mit dem Down-Syndrom geborenen
Assistenten Geung, seines alten Freundes und Parteigenossen Civilai, der Chemielehrerin Oum sowie einigen verstaubten,
französischsprachigen Lehrbüchern macht Siri sich Wohl unter Übel an die neue, ihm völlig fremde Aufgabe.
Bereits sein erster Todesfall, bei dem es sich auch noch um die Ehefrau eines ranghohen Parteigenossen handelt,
wirft Fragen und Rätsel auf, die ihn nicht loslassen und tiefgründiger nachforschen lassen.
Noch im Zuge seiner Ermittlungen landet auch schon die nächste Leiche auf seinem Tisch, deren Tod offenkundig
nicht auf natürlichem Weg erfolgt ist. Auf der Suche nach der Wahrheit sieht Siri seine neue Aufgabe mehr
und mehr unter detektivischen Gesichtspunkten und vertieft seine Nachforschungen.
Dies wird jedoch nicht von jedem gern gesehen - wie Siri schon bald feststellen muss …

Trotz der clever gestrickten Krimihandlung sind die Fälle des Dr. Siri nicht einfach „nur“ Kriminalromane:
Die Erzählungen leben vor allem von ihrem Handlungsort Laos mit seinen Menschen und Besonderheiten, die
Cotterill dem Leser anhand äußerst einfühlsamer und liebevoller Betrachtungen und Dialoge nahebringt.
Dabei finden sowohl, Geisterglaube, Buddhaverehrung, die Auswirkungen des Kommunismus und nicht zuletzt
der respektvolle Umgang der Menschen untereinander ihren Platz. All dies ist in einer angenehmen
Leichtigkeit geschrieben, gespickt mit sehr viel Wortwitz, Humor und einer guten Prise Ironie und
Zynismus - was erfreulicherweise auch in der deutschen Übersetzung zur Geltung kommt.

Ein wenig erinnert die „Dr. Siri – Reihe“ an die Mma Ramotswe–Krimis aus Botswana, im direkten Vergleich
ist Cotterills Schreibstil jedoch eleganter und facettenreicher und die Kriminalfälle sind weniger trivial.
Die perfekte Reiselektüre für alle Laosreisenden, vor allem aber ein wunderbarer und gelungener Auftakt
einer Krimireihe, der interessante Einblicke in ein nur wenigen Lesern bekanntes Land bietet
und Lust auf die weiteren Fortsetzungen macht.

 

 



 

 

 



 

Duong Thu Huong:

 Roman ohne Titel / Roman ohne Namen

(engl.: Novel without a name)

 

 

 

 

Der Protagonist Quan trat im Alter von achtzehn Jahren voller Idealismus  für die Kommunistische Partei der nordvietnamesischen Armee bei.
Jetzt, nach zehn Jahren Dschungelkrieg, fühlt er sich physisch und psychisch leer und ausgebrannt wie ein alter Veteran, sehnt sich
einerseits nach dem Tod und fürchtet ihn anderseits doch. Der Krieg jedoch ist noch nicht vorüber.
Von einem Freund aus der Kindheit – jetzt hochrangiger Offizier bei der Armee – erhält Quan einen Auftrag, der ihm die Möglichkeit bietet,
sein Heimatdorf wieder zu sehen. Er soll herausfinden, wie es um Bien steht, einem weiteren Freund aus unbeschwerten Kindheitstagen,
von dem es heißt, er sei „verrückt“ geworden.

Der Leser begleitet Quan auf seinem Weg durch den Dschungel und die Endphase des Krieges, nimmt teil an seinen Erlebnissen und Erinnerungen,
seinen Gedanken und Tagträumen, aus welchen vor allem eines immer wieder klar hervorgeht: Welch große, persönliche Opfer er und
seine Generation in ihrem politischen Idealismus erbracht haben - den schmerzlichen Verlust von Unschuld, Liebe und von Leben.


Duong Thu Huong wurde 1947 in der Provinz Thai Binh im Norden Vietnams geboren und meldete sich freiwillig an die Front.
Jahre später setzte sie sich für Demokratie und Meinungsfreiheit ein, woraufhin sie aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen
und 1991 für sechs Monate inhaftiert wurde. Im selben Jahr erhielt sie ihren ersten Literaturpreis.
In Vietnam wurden ihre Bücher von der Regierung aus dem Verkehr gezogen, fotokopierte Raubdrucke werden jedoch
z.B. in den Straßen von Saigon, Nha Trang und Hanoi zum Kauf angeboten.

 

 



 

Duong Thu Huong:

 Paradise of the Blind

 

 
 

 

“Paradise of the Blind“ erzählt vom Leben in Nordvietnam unter kommunistischer Herrschaft, in welchem
traditionelle Sitten und Gebräuche dennoch ihren Platz haben.

Die in einem Armenviertel Hanois aufgewachsene Protagonistin Hang arbeitet Anfang der 80er Jahre im
Alter von zweiundzwanzig Jahren als „Gastarbeiterin“ in der ehemaligen Sowjetunion.
Auf der langen Zugreise ins entfernte Moskau erfährt der Leser in Rückblicken Näheres über ihre
Familiengeschichte im Strudel der neueren vietnamesischen Geschichte sowie die Gründe, die sie
bewogen, ihre Heimat zu verlassen.

Im Vordergrund stehen die Beziehungen der „modernen“ Hang zu den verschiedenen Familienmitgliedern.
Die Zerrissenheit des Landes nach der Tragödie der Landreform (1953-1956) spiegelt sich dabei
in den unterschiedlichen Charakteren wider – ihrem egoistischen Onkel, der seine politische Loyalität
über die Familie stellt, ihrer sich aufopfernden Mutter und ihrer verbitterten Tante – und Hang
beginnt zu begreifen, dass sie sich von der Vergangenheit befreien muss, um eine Zukunft zu haben.

Anschaulich beschreibt Duong Thu Huong die Komplexität vietnamesischer Kultur wie etwa den
Zusammenhalt der Familie oder die Verehrung der Ahnen und schafft dazu glaubhafte, lebendige Charaktere.

 

 

 

 

Graham Greene:

Der stille Amerikaner

(engl.: The quiet American)

 
 

 

Zeitloser Klassiker

Vor dem Hintergrund des französischen Indochinakriegs erzählt Graham Greene die Dreiecksbeziehung zwischen
alternden, britischen Journalisten Fowles, seiner um etliche Jahre jüngeren vietnamesischen Geliebten
Phuong und dem jungen Amerikaner Pyle. Gekämpft wird dabei nicht allein um die Gunst der schönen Frau,
sondern viel mehr für die jeweiligen Vorstellungen und Ideale bezüglich der Zukunft Vietnams,
welches selbst nach Freiheit und Unabhängigkeit strebt.
Mit der Figur des tollkühn-tollpatschigen Pyle, dem es an allen Ecken und Enden an kulturellem
Einfühlungsvermögen und schließlich auch an Skrupeln mangelt, gelingt Greene,
eine vortreffliche Personifizierung der politischen Naivität der USA.
Fowles dagegen repräsentiert mit seiner Angst, die asiatische Geliebte zu verlieren und im Alter allein
dazustehen, die europäische Seite.

Der Klassiker aus den 1950er Jahren hat in seinen Aussagen in Bezug auf Politik und Moral bis heute
nicht an Brisanz und Aktualität eingebüßt. Interessant ist vor allem die für die damalige Zeit
geradezu visionär anmutende Vorhersehung, was den tragischen Fortgang des Vietnamkriegs mit der kurz
darauf folgenden Beteiligung der USA betrifft.

Mit dem „stillen Amerikaner“ ist Graham Greene zweifellos ein kleines Meisterwerk gelungen:
Ein umfassendes Thema wird treffend und prägnant in einem verhältnismäßig „kurzen“ Roman dargestellt,
der dazu noch spannend und informativ zugleich ist.

 

 

 

 

Ayelet Gundar-Goshen:

 Löwen wecken

 

 

 

 

 

 

Ein Arzt überfährt eines Nachts aus Versehen einen illegalen Einwanderer aus Eritrea.
Da es keine Zeugen zu geben scheint und der Mann wahrscheinlich ohnehin sterben wird, meldet Etan
den Unfall nicht, um sich Ärger zu ersparen und seine ohnehin bereits angeknackste Karriere nicht endgültig aufs Spiel zu setzen.
Doch am nächsten Tag klopft es an der Haustür und die Frau des Opfers steht vor ihm. Für ihr Schweigen verlangt sie eine Gegenleistung,
die Etan dazu zwingt, fortan ein Doppelleben zu führen und seine Ehefrau Liat, die als Kripobeamtin mit dem Unfalltod
des illegalen „Infiltranten“ betraut wird, von nun an zu belügen …

In der Folge entwickelt sich eine vielschichtige und spannende Handlung um Hass und Liebe, Schuld und Moral, die so einige Fragen aufwirft,
wie z.B. Was ist ein Menschenleben wert? Ist das Leben eines illegalen Flüchtlings weniger wert als das eigene? Wie lässt sich eine Tat büßen?
War das Opfer zugleich auch Täter und wenn ja, was ändert das? Wie viele Lügen erträgt die Liebe bzw. erträgt man selbst?

Die Geschichte spielt in Be’er Scheva, einer Stadt im Süden Israels am Rande der Wüste Negev, könnte aber vom Prinzip her -
und von einigen Besonderheiten abgesehen (z.B. der offiziell benutzten Bezeichnung „Infiltranten“ für Flüchtlinge aus Eritrea, Sudan etc.,
die mir beim Lesen immer wieder aufgestoßen ist) - genauso gut in Europa oder anderswo auf der Welt spielen.

Manche Rezensenten werfen der Autorin eine stellenweise „derbe Sprache“ und die Nutzung zu vieler Vergleiche vor.
Ich kann dazu nur sagen: Das Leben ist derb, die Sprache gibt dies lediglich wieder.
Ich verstehe auch nicht ganz, wer sich heutzutage noch an einem „F“-Wort o.ä. stört - willkommen im Leben!
Und die bildhaften Vergleiche gefallen mir gerade, z.B. auf Seite 72:
„… Er hätte sich schuldig fühlen müssen, aber seine Schuld welkte, gleich einer Blume, die nur einen Tag blühte,
angesichts dieser dreisten Erpressung …“
Oder auf Seite 272: „..Die Lüge hatte sich, wie ein anfangs kratzender Wollpullover, eingetragen. Er fühlte sich wohl darin…“
Auch viele andere Formulierungen finde ich ausserdordentlich gelungen, auch ohne dass ich jetzt mit Zitaten um mich werfe.
Obwohl ich das Buch erst wenige Jahre habe, habe ich es glaube ich jedes Jahr gelesen, könnte also zum Dauerbrenner
à la „Unter dem Tagmond“ für mich avancieren. Auf jeden Fall eine wärmste Lese-Empfehlung meinerseits!

 

 

 

 

Ramesh Gunesekera:

 Riff

(engl.: Reef)

 

 

 

 

  Eine Reise der Sinne nach Sri Lanka

Als elfjähriger Junge kommt der Ich-Erzähler Triton als Hausboy in den Haushalt des Meeresbiologen und Junggesellen Mr. Salgado.
Man schreibt das Jahr, in dem Sri Lanka seine Unabhängigkeit erlangt. Während sich die Welt draußen im Umbruch befindet,
lebt Triton im abgeschotteten Mirokosmos von Salgados Haus wie in einem Refugium und lernt, den Haushalt zu führen,
das Silber zu polieren und alle erdenklichen köstlichen Gerichte zu kochen. Mit Nili, der Geliebten Salgado's,
zieht das gesellschaftliche Leben in das Haus ein, und der Mikrokosmos beginnt, durchlässig zu werden, sich
nach außen zu öffnen. Der ruhige, beschauliche Alltag Triton's wandelt sich von einem Tag auf den anderen in eine berauschende
Zeit von Besuchen, Festen und Ausflügen ans Riff, für dessen Erhaltung Salgado sich einsetzt. Doch parallel zur
Zerstörung der Korallenriffe droht durch die stattfindenden politischen Veränderungen auch dem Land und der häuslichen
Idylle der Untergang ...

Romesh Gunesekera appelliert in seiner Erzählung vor allem an die Sinne: die Düfte und Geräusche im Garten des Hauses,
am Strand oder auf dem Markt, die Zubereitung von gedünstetem Papageienfisch - fast muss man nur die Augen schließen,
um Sri Lanka zu riechen, zu schmecken und zu hören. Eine schöne, leicht zu lesende Geschichte, die den Leser
wunderbar in eine andere Welt entführt, aber dennoch die politische Realität nicht aus den Augen verliert.

 

 

 

 

Le Ly Hayslip:

 

 Geboren in Vietnam

(engl.: When Heaven and Earth changed Places)

 
 

 

Le Ly Hayslip ist zwölf, als 1965 US-Hubschrauber in ihrem Heimatdorf Ky La nahe Da Nang landen und ihre bisherige Welt
zammenbrechen lassen. Während der folgenden Kämpfe zwischen US- nd Vietkong-Truppen rekrutieren beide Seiten Kinder
als Spione und Saboteure, eines davon ist Le Ly. Drei Jahre lang unterstützt sie den Viet Cong gegen die Amerikaner
und die südvietnamesische Armee, immer wieder von nordvietnamesischen Kaderführern auf geheimen, nächtlichen
Treffen indoktriniert. Während dieser Zeit erfährt sie Hunger, Gefangenschaft, Folter, Vergewaltigung und
den gewaltsamen Tod von Familienangehörigen. Mit einem unehelichen Kind schlägt sie sich in Saigon unter anderem
als Prostituierte und Schwarzmarkthändlerin durch, verliert aller Schicksalsschläge zum Trotz dennoch wieder
den Mut noch ihren Glauben an die Menschlichkeit, und lernt schließlich einen Amerikaner kennen …

Sechzehn Jahre nach ihrer Flucht nach Amerika reist sie 1986 erstmals wieder in ihr Heimatland, auf den Spuren
ihrer Familie und ihrer Vergangenheit. Die vorliegende Autobiographie veröffentlichte sie drei Jahre später.

Oliver Stone verfilmte ihre Geschichte 1993 unter dem Titel „Zwischen Himmel und Hölle“ - allerdings handelt
die Hälfte des Films von ihrem Leben nach der Flucht aus Vietnam in den Vereinigten Staaten,
was leider etwas klischeehaft dargestellt wird.

 

 

 

 

 

Henning Mankell:

Der Chinese

(engl.: The Man from Beijing)

 

 

 

 

Das Buch beginnt wie ein klassischer Kriminalroman: In einem kleinen, abgelegenen Dorf in Schweden werden die
Leichen von achtzehn brutal ermordeten Menschen in ihren Häusern aufgefunden.
Die polizeilichen Ermittlungen laufen sogleich auf Hochtouren, doch auch die Richterin Birgitta Roslin
beginnt sich für den rätselhaften Fall zu interessieren, als sie herausfindet, dass sich entfernte
Familienangehörige unter den Opfern befinden. Je intensiver sie sich mit dem Fall beschäftigt, desto klarer wird
ihr, dass die Polizei eine falsche Spur verfolgt, und ermittelt auf eigene Faust weiter …

An dieser Stelle erfolgt ein großer Sprung, sowohl räumlich-zeitlich als auch thematisch:
Mankell entführt den Leser nun nach China im Jahr 1863, wo drei durch bittere Armut halb verhungerte Brüder
verzweifelt versuchen, ihrem Elend zu entfliehen und schließlich in die USA gelangen – allerdings unter
völlig anderen Umständen, als sie es sich erträumt hatten …

Von da an pendelt der Ort der Handlung zwischen China und Schweden hin und her, inklusive kurzer Abstecher
ins südliche Afrika sowie nach London. Natürlich sind die Personen und Ereignisse an allen Schauplätzen
miteinander verwoben, zentrale Person bleibt jedoch Birgitta Roslin, der es erst allmählich gelingt, die
Zusammenhänge zu verstehen und damit auch zu erkennen, in welcher Gefahr sie sich selbst befindet …

„Der Chinese" ist ein spannend geschriebenes Buch, das nicht einfach nur ein Kriminalroman ist,
sondern sich auch viel mit chinesischer Geschichte und Politik befasst, ohne dabei an Schwung zu verlieren.
Wahrscheinlich ist es genau das, was einem klassischen Krimiliebhaber nicht gefällt, die teilweise
lange Abkehr vom eigentlichen Kriminalfall. Hier erhebt sich der Verdacht, dass der Roman nur
vordergründig als Krimi deklariert ist, die eigentliche Intention des Autors hingegen eine völlig andere war,
nämlich sich innerhalb eines Romans mit China auseinanderzusetzen, seiner Historie, seiner Gegenwart
sowie mit seiner zunehmenden Präsenz und Einflussnahme auf dem afrikanischen Kontinent.
Vielleicht hat Mankell es hier auch etwas zu gut gemeint und versucht, zu viele Themen und Aspekte in
einem „Kriminalroman" unterzubringen. Da sind enttäuschte Leser vorprogrammiert.
Wer aber weiß, worauf er sich einlässt bzw. sich schnell von der Erwartung an einen klassischen Krimi löst,
kann sich an einem fesselnd geschriebenen Roman erfreuen - der am Schluss dann doch wieder zum Kriminalroman wird. ;-)

 

 

 

 

Rohinton Mistry:

Das Gleichgewicht der Welt

(engl.: A fine Balance)

 

 

 

 

Durch Zufall lernen sich auf einer Zugfahrt nach Bombay die einfachen Schneider Ishvar und sein Neffe Omphrakash
und der aus gutem Hause stammende Student Maneck kennen. Rasch stellt sich heraus, dass sie das gleiche Ziel
in der grossen Stadt haben, das Haus der Schneiderin
Dina Dalal, bei welcher sich Ishvar und Omphrakash Arbeit erhoffen,
Maneck ein Zimmer zur Untermiete.


Von diesem Zeitpunkt an beginnen sich ihre Schicksalsfäden vor dem Hintergrund ihrer unterschiedlichen Herkunft
mehr und mehr miteinander zu verweben. Dabei erfährt der Leser nicht nur die ereignisreichen Lebensgeschichten
der vier Hauptcharaktere des Romans, sondern nimmt auch an ihrem Alltagsleben,
ihren Nöten und Ängsten, Sorgen und Freuden teil.


Dies erzählt Rohinton Mistry auf so intensive, mitreissende, lebendige und berührende Art und Weise,
dass man als Leser gar nicht anders kann, als sich emotional in den Strudel der Ereignisse mit
hineinziehen und ins Indien der Jahre zwischen 1975 und 1984 entführen zu lassen.


Innenpolitisch gesehen ist es eine unruhige Zeit, diese erste Amtszeit Indira Gandhis als Premierministerin des Landes.
Ausnahmezustand, Niederschlagung der Opposition, behördliche Willkür, Folter, Zwangsmassnahmen sowie die zunehmende
Beschneidung von Freiheiten und Bürgerrechten prägen das Alltagsleben - und natürlich treffen die Auswirkungen
dieser Zustände vor allem die praktisch entrechteten Angehörigen der unteren Kasten. Eine grausige Berg-
und Talfahrt des Lebens nimmt ihren Lauf, die ihren Protagonisten nichts erspart.

In der Erzählung wird „Das Gleichgewicht der Welt" an einigen Stellen symbolisiert, einmal durch das Schachspiel,
das Maneck von einem Studienfreund geliehen bekommt, ein andermal durch einen Straßenkünstler,
der auf einer langen Stange zwei kleine Kinder balanciert.
Stärkstes Symbol jedoch ist eine Patchwork-Decke, an welcher Dina tagtäglich näht: Jeder der unzähligen,
bunten Flicken erinnert die Protagonisten an ein bestimmtes Ereignis auf ihren miteinander verwobenen
Lebenswegen, sei dieses rückblickend betrachtet nun gut oder schlecht, und lässt
so Freud und Leid, Glück und Unglück zu einem grossen Ganzen verschmelzen.


Fazit:
Ein grossartiges Buch; ein aufwühlendes Buch; ein unbarmherziges Buch – ein Buch wie das Leben selbst.
Keine Seite zu lang, kein Ereignis oder Nebendarsteller zu unbedeutend.
Eine Leseempfehlung nicht nur für Indien-Interessierte.

 

 

 

 

V.S. Naipaul:

Der mystische Masseur

(engl.: The Mystic Masseur)

 

 

 

 

Die auf Trinidad spielende Geschichte vom gesellschaftlichen Aufstieg eines „kleinen" Mannes namens Ganesh
lebt vor allem von der liebevoll-satirischen Erzählweise, mit welcher es dem Autor gelingt, seinen Figuren
Lebendigkeit zu verleihen, sie menschlich und trotz ihrer Schwächen liebenswert erscheinen zu lassen.
Die für Ganeshs Aufstieg wegbereitenden Kapitel sind „Der mystische Masseur" sowie „Der Presse-Pandit":
In ersterem heilt Ganesh einen kleinen Jungen, der sich von einer schwarzen Wolke verfolgt glaubt.
Allerdings geschieht dies weniger mit Hilfe wirklicher Heilkunst oder gar durch Magie, wie die Bewohner Trinidads
später gerne glauben mögen, sondern einfach durch Ganeshs Einfühlungsvermögen. Sein Ruf als
„mystischer Masseur" gilt danach jedoch als gefestigt.

Im anderen Kapitel konzipiert Ganesh mit drei Gesinnungsgenossen, von denen einer noch ein Junge ist,
eine eigene kleine Zeitung. Hierbei zeigt sich auf humorvolle Art und Weise, wie schwierig der Weg
von der Idee hin zur Realisierung ist - und dass die drei Alten ohne den Jungen wirklich alt aussähen ...
Doch die Zeitung erscheint, wenn auch nur einmalig, und bereitet Ganesh den Weg in die Politik.
Trotz seiner enormen Karriere ist von Anfang an klar, dass Ganesh eigentlich überhaupt nicht
besonders begabt und anfangs auch nicht einmal sonderlich motiviert ist (was ihn sympathisch macht).
Er hat einfach „nur" das Händchen, zur rechten Zeit das richtige zu tun, und gibt niemals auf.

Interessant ist noch eine Nebenfigur, die man von einem andern Roman Naipauls zu kennen meint:
Ganeshs Schulfreund Indarsingh, der aufs College nach England geht und später auf der politischen Bühne
Trinidads wieder auftaucht. Einen nicht nur vom Namen her ähnlichen Schulfreund gibt es auch
in dem Roman „An der Biegung des großen Flusses". Darin heißt dieser schlicht Indar,
hat ebenfalls in England studiert und kehrt gleichfalls später wieder in seine alte Heimat zurück.
Beiden Indars ist zudem gemein, dass ihnen ihr elitär anmutender Bildungsausflug nach England
nicht viel gebracht hat und sie zurück zu Hause die bittere Feststellung machen müssen,
dass sie ihrem ehemaligen Schulkameraden dennoch unterlegen sind.

Ein sehr sympathisches, unterhaltsames und humorvolles Buch.

 

 

 

 

Jo Nesbo: Kakerlaken

(engl.: Cockroaches)

 

 

 

  In einem zwielichtigen Motel in Bangkok wird der norwegische Botschafter von einer Prostituierten erstochen aufgefunden.
Zu Unterstützung der thailändischen Polizei in diesem politisch heiklen Fall wird Kommissar Harry Hole aus Oslo
nach Bangkok geschickt, um den Mordfall möglichst diskret aufzuklären. Doch entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung
liegt Harry daran, die ganze Wahrheit ans Licht zu bringen - was allerdings nicht ganz einfach ist, denn undurchdringliche
Diplomatenkreise, clevere Geschäftsleute, Bangkoks Unterwelt, die schwüle Hitze der Nacht und nicht zuletzt die ständige
Verlockung des Alkohols machen ihm bei seinen Ermittlungen schwer zu schaffen.
Ein guter, spannender Krimi mit viel Bangkok-Flair - übrigens der 2. Band der "Harry Hole-Krimireihe"
von Jo Nesbo (1. Band: Der Fledermausmann, s. "Buchtipps Australien").

 

 

 

 

Michael Ondaatje:

Anils Geist

(engl.: Anil's Ghost)

 

 

 

 

Die Protagonistin Anil hat ihr Heimatland Sri Lanka im alter von achtzehn Jahren verlassen. Nun, fünfzehn Jahre später,
kehrt sie als Forensikerin im Auftrag einer internationalen Menschenrechtskommission zurück, um Beweise dafür
zu sammeln, dass die Regierung foltert, mordet und Menschen verschwinden lässt. Vor Ort wird ihr ein einheimischer
Archäologe zur Seite gestellt, dessen politische Gesinnung nur schwer zu durchschauen ist.
Mit seiner und der Hilfe eines Künstlers versucht Anil, in der Idylle eines abgelegenen Herrenhauses anhand
eines Skelettfundes die Geschichte des Opfers zu rekonstruieren und der Regierung den Mord nachzuweisen ...

Ein spannender, bedrückender Roman über die Schattenseiten der Geschichte Sri Lankas.

 

 

 

Michael Ondaatje:

Es liegt in der Familie

  (engl.: Running in the Family)

 

 

 

 

Auf den Spuren der Vorfahren des Autors Michael Ondaatje: Mal komische, mal tragische Geschichten,
immer wieder skurrile, exzentrische, liebenswerte Gestalten, dazu einige Fotos - das Komischste davon ist das
Hochzeitsfoto seiner Eltern mit der Unterschrift
Was wir von der Ehe halten".
Das "schöne Leben" auf Sri Lanka in den 20er-Jahren - man möchte am liebsten mit dabei gewesen sein!

 

 

 

 

George Orwell:

Tage in Burma

 (engl.: Burmese Days)

 

 

 

Weltruhm erlangte George Orwell durch seine beiden Hauptwerke "Farm der Tiere" ("Animal Farm") und "1984".
Weniger bekannt dagegen ist, dass er in jungen Jahren als Kolonialbeamter im damaligen Burma gelebt und seine Erfahrungen
aus dieser Zeit in seinem zweiten Roman "Tage in Burma" verarbeitet hat, der 1934 erstmals erschienen ist.

Rund um seine drei Hauptfiguren - den englischen Holzhändler und Außenseiter Flory, den stets Ränke schmiedenden
burmesischen Magistrat U Po Kyin sowie den unterwürfigen Arzt Veraswami - entwickelt er eine überaus
facettenreiche Erzählung, die kritische Abrechnung mit der britischen Kolonialmentalität, lebendige Beschreibung
von Land, Kultur und Menschen Burmas und tragische Liebesgeschichte zugleich ist.

 

 

 

 

 Lawrence Osborne:

Bangkok Days

 

 

 

 

  Und noch ein Bangkok-Buch ... - aber diesmal kein Krimi (!), sondern quasi eine Mischung aus Reisebericht und
lebendig erzählten Begegnungen und Begebenheiten in der "Stadt der Engel".

Eigentlich ist es keine herkömmliche Urlaubsreise, die den New Yorker Ich-Erzähler erstmals nach Bangkok führt,
sondern die Möglichkeit einer günstigen Zahnbehandlung. Nachdem diese erfolgreich überstanden ist,
stellt Osborne erfreut fest, wie günstig und gut es sich doch in dieser Stadt leben lässt - und er bleibt
länger als ursprünglich gedacht respektive kehrt immer wieder zurück. Vor allem geht er aber viel, ist unterwegs,
bummelt, spaziert, wandert, entdeckt. Und Dank der besonders anschaulichen, lebendigen Sprache, in der
das Buch geschrieben ist, fühlt man sich als Leser, als würde man Osborne auf seinen Touren durch die Stadt
begleiten, ihre Geräusche hören, ihre Gerüche einatmen.

Eigentlich könnte der Buchtitel auch "Bangkok Nights" lauten, denn die meisten seiner Streifzüge finden
in den Abend- und Nachtstunden statt und führen - natürlich! - in schummrige Bars, Rotlichtviertel, dunkle Gassen ...
Ein wenig schade ist, dass sich Osbornes Begegnungen mit anderen Menschen fast ausschließlich auf farang konzentrieren,
was aber glücklicherweise dadurch wieder wettgemacht wird, dass etliche sehr humorvoll beschrieben werden.

Ein schönes Buch für alle Bangkok-Liebhaber und -Kenner, das direkt wieder
Lust auf einen Besuch dieser faszinierenden Metropole macht!

 

 

 

 

Eliot Pattison:

Der fremde Tibeter

(engl.: The Skull Mantra)

 

 

 

Eliot Pattisons Debütroman spielt in einem chinesischen Arbeitslager mitten in Tibet.
Unter den Häftlingen – überwiegend Mönche aufgelöster und zerstörter tibetischer Klöster –
befindet sich auch der chinesische Protagonist Shan, einstiger Ermittler in politischen
Korruptionsfällen in Peking. Eines Tages findet seine Brigade während ihrer Arbeit am Bau einer Straße
eine Leiche ohne Kopf. Im Zuge der Ermittlungen wird Shan vom Befehlshaber des Lagers von seiner Arbeit freigestellt
und mit der Aufklärung der Tat beauftragt, bevor eine amerikanische Delegation das Land besucht.
Schon bald wird von offizieller Seite ein Mönch als angeblicher Täter präsentiert - doch Shan, der sich im Zuge
seines Lageraufenthalts mit den Mönchen angefreundet und sich mit ihrer Lebensweise vertraut gemacht hat,
zweifelt an den angeblichen Beweisen und recherchiert weiter …

Anhand dieser Krimihandlung gelingt es Pattison, dem Leser das buddhistische Tibet und die Auswirkungen
der chinesischen Besetzung  nahe zu bringen – teilweise so detailliert, dass man vermuten möchte,
dass dies auch sein Hauptbeweggrund zum Schreiben dieses Buches war, was aber durchaus
nicht negativ zu bewerten ist, da Shans Suche nach dem Mörder, wenn auch im Detail etwas verworren,
durchaus spannend ist und zu einer überraschenden Auflösung führt.
Für den Roman wurde er 2000 mit dem Edgar Allan Poe Award ausgezeichnet.

 

 

 

 

Andrew X. Pham:

 Mond über den Reisfeldern

(engl.: Catfish and Mandala)

 

 
 

 

An (-drew), ein junger Amerikaner vietnamesischer Herkunft, flüchtete einst mit seinen Eltern
und Geschwistern als „Boat-People“ vor dem kommunistischen Regime in die Vereinigten Staaten.
Nun, zwanzig Jahre später, zieht es ihn über Nord-Kalifornien und Japan zurück in das Land
seiner Kindheit. Auf der Suche nach seinen Wurzeln reist er von Saigon nach Hanoi und
wieder zurück, größtenteils auf dem Fahrrad. Parallel zu seinen Erlebnissen und Begegnungen
unterwegs erzählt er in Rückblicken die Geschichte seiner Familie, seiner Kindheit, der
Flucht aus Vietnam und den Problemen als Immigrant in den USA.

Andrew X. Pham beschreibt sowohl das Leben in Vietnam als auch seine Reise durch das Land
so eindrücklich, das man beim Lesen meinen möchte, als heimlicher Mitreisender auf seinem
Gepäckträger zu sitzen und ihm über die Schulter zu schauen oder ihn durch die Straßen
Saigons mit ihren zahllosen winzigen Esslokalen und Garküchen zu begleiten und den
Geruch von Reis, frischen Backwaren und Gewürzen zu atmen.

Ein schönes und vielschichtiges Buch über Vietnam, das Reisebericht, Familiengeschichte und
Selbstfindungsroman zugleich ist – ein idealer Reisebegleiter.

 

 

 

 

Shyam Selvadurai:

 Die Zimtgärten

  (engl.: Cinnamon Gardens)

 

 

 

 

Shyam Selvadurai gelingt es auf unterhaltsame und spannende Art und Weise, den Leser in das Ceylon der 20er-Jahre
zu entführen und ihn anhand der Schicksale von Vertretern dreier Generationen einer wohlhabenden Familie
der Cinnamon Gardens (gehobenes Wohnviertel Colombos) den Wandel der Gesellschaft miterleben zu lassen.
Fast schon zu leicht liest sich die Geschichte, möchte man meinen. Doch die „Gratwanderung“ ist gelungen
und der Rutsch hinab in eine triviale Familiensaga bleibt aus und auch ein billiges Happy End bleibt erspart.
Ein schönes Buch zum nachdenken und träumen.

 

 

 

 

Vikas Swarup:

Rupien! Rupien!

(engl.: Q & A;

Slumdog Millionaire)

 

 

 

 

Der Roman beginnt mit der Festnahme des Protagonisten und Ich-Erzählers Ram Mohammed Thomas, nachdem er in einer
indischen „Wer-wird-Millionär“-Show im Fernsehen eine Milliarde Rupien gewonnen hat, da keiner glauben will,
dass ein ehemaliger Straßenjunge solch schwierige Fragen richtig beantworten kann, ohne dass ein Trick dahinter steckt.
Überraschenderweise erklärt sich eine Anwältin zu Rams Verteidigung bereit, nimmt ihn mit zu sich nach Hause
und lässt sich von ihm erzählen, wie es dazu kam, dass er tatsächlich auf jede der Fragen die richtige Antwort wusste.
So erfährt man in den folgenden Kapiteln rückblickend Rams mal heitere, mal traurige Lebensgeschichte,
allerdings nicht chronologisch, sondern in genau der Reihenfolge, in welcher ihm die Fragen im Verlauf
der Quizsendung gestellt wurden. Diese Erzählweise erfordert zwar etwas Nachdenken beim Lesen,
um jede Lebensepisode richtig einzusortieren, macht die Geschichte aber originell und spannend.
Darüber hinaus erfährt man auch einiges über Indien.

Der Roman wurde übrigens unter dem Titel „Slumdog Millionaire“ verfilmt
und 2009 mit acht Oscars ausgezeichnet.

 

 

 

 

Ma Thanegi:

 Pilgerreise Myanmar

 (engl.: The Native Tourist)

 

 

 

Ma Thanegis Erzählung über ihre achtzehntägige buddhistische Pilgerreise mit dem Bus durch ihr Heimatland
eignet sich besonders für Leser, die bereits in Myanmar waren oder sich gerade dort aufhalten, denn
sie werden sicherlich das eine oder andere wieder erkennen und womöglich auch einiges besser verstehen.

Mit viel Humor, Liebe, einer guten Portion Ironie und einem guten Blick für Details beschreibt sich
nicht nur ihre Erlebnisse auf der Pilgerfahrt, sondern auch ihr Land, ihre Landsleute sowie
landesspezifische Besonderheiten. Die oftmals kritisierte Einfachheit der Sprache stellt
dabei kein Manko dar, sondern verleiht der Erzählung eine angenehm unaufdringliche, schlichte Note.

 

 

 

 

   Roger Willemsen:

   Bangkok Noir

 

 

 

 

Bangkok Noir ist eine weitere Ode an Thailands Hauptstadt, wie sie Männer gerne zu schreiben scheinen.
Man kann natürlich auch etwas böse sagen: Ein weiterer weißer, alter Mann streift nachts durch Bangkok auf der Suche nach Frauen,
nach Nervenkitzel, nach Sex ... - ahnlich wie Lawrence Osborne in „Bangkok Days". :-D
Auch sind die Beschreibungen von Orten oder kurzen Begegnungen mit Menschen stellenweise etwas zu aufgesetzt formuliert
oder zu klischeehaft. Aber immerhin: Wer die Stadt kennt, wird diese wiedererkennen, wird sich von den Worten mitnehmen
und mitten ins Geschehen tragen lassen. Knapp 300 Seiten dauert diese Reise durch die Großstadtnächte, non-stop,
ohne von ordnenden Kapiteln unterbrochen zu werden – und ja: wie sollte das auch gehen? Das vielfältige, eng miteinander verwobene
Leben inmitten einer Metropole wie Bangkok lässt sich nicht ohne Weiteres bändigen oder ordnen, es sträubt sich mit
aller Kraft dagegen, in mundgerechte Happen zerteilt, inhaltlich voneinander getrennt zu werden.
Alles fliesst, überlappt, überrollt und untertunnelt sich, räkelt, wälzt und suhlt sich.
Ein Erinnerungsbuch für Bangkok-Fans, auch erhältlich als große Ausgabe mit Fotos.

 

 

 

 

Malala Yousafzai:

 Ich bin Malala /

I am Malala

 

 

 

Es geschah am 9. Oktober 2012, als einige Taliban in Malalas Heimatdorf in Pakistan ihren Schulbus anhielten,
das Feuer eröffneten und die damals 15-Jährige gezielt in Kopf und Hals schossen.
Motiv der Mörder war Malalas Engagement für gleiche Rechte für Mädchen und Frauen, insbesondere was deren
schulische Bildung betrifft. Wie durch ein Wunder überlebte Malala schwer verletzt, musste in ein
Militärkrankenhaus überführt und operiert werden und wurde dank des Einsatzes einer britischen Ärztin zur
weiteren Behandlung und zu ihrer Sicherheit nach England ausgeflogen, wo sie heute noch immer
mit ihrer Familie lebt und inzwischen verheiratet ist.

Dies ist ihre Geschichte. Die Geschichte eines Mädchens, das 1997 in einfachen Verhältnissen im Swat-Tal im
Nordwesten Pakistans geboren wurde. Wie schon ihr Vater, der sich in seiner Eigenschaft als Lehrer für
die Bildungsrechte von Mädchen einsetzte, trat auch Malala schon in frühen Jahren engagiert und
mutig für das Recht auf Bildung für Mädchen und Frauen ein. Dies gefiel freilich nicht allen,
schon gar nicht den rückständigen Taliban … Rückblickend erzählt sie aus ihrem noch jungen Leben, aber
auch von der Geschichte Pakistans und ihrer geliebten Heimat, dem Swat-Tal.
Ein beeindruckendes Buch eines intelligenten, freiheitsliebenden und überaus mutigen Mädchens!

Zusatz-Info:
Dieses Buch erschien im Jahr 2013 und wurde ein Welterfolg. Noch im selben Jahr hielt Malala eine
beeindruckende Rede vor den Vereinten Nationen und wurde von Barack Obama im weißen Haus empfangen.
2014 wurde ihr im Alter von 17 Jahren der Friedensnobelpreis verliehen, was sie zur jüngsten
Preisträgerin in der Geschichte des Nobelpreises und zur mit Abstand jüngsten in der
Geschichte des Friedensnobelpreises machte.

 

 

 

 

 

 

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