Buchtipps aus aller Welt
inkl. Fantasy/SciFi

 

 

 

 





 

 

Hans Schaarwächter

Reise des Seepferdchens

von ihm selbst erzählt

 

 

 

Ich habe einen Schatz gefunden! Ein Kleinod! Ganz unverhofft in einem öffentlichen Bücherschrank am Rhein,
an dem ich an fast jedem Arbeitstag in der Mittagspause vorbeispaziere und immer neugierig hineinspähe,
jedoch selten wirklich etwas von Interesse darin vorfinde. Doch diesmal erwartete mich darin eine
freudige Überraschung, ein Kuriosum schon vom Titel her, welcher mir direkt ins Auge fiel:
„Reise des Seepferdchens". Und anstelle der Nennung eines Autors stand darunter „von ihm selbst erzählt". Hm.
Meine Neugier war geweckt.

Ich nahm das grüne, großformatige Taschenbuch mit einer überdimensionalen Seepferdchenzeichnung auf dem Cover heraus,
überflog die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken - auf welchem dann doch Foto, Name und Kurzbeschreibung des Verfassers prangten -
und klappte schliesslich das Buch auf: Innen keine Angaben zu einem bekannten Verlag, zu Auflage oder Erscheinungsjahr,
„Illustrationen: Das Seepferdchen", „Seepferdchenstudio". - Aha, wohl ein im Selbstverlag gedrucktes Werk,
interessant. Darin lag ein dem Buch zugehöriges, kleines Lesezeichen aus durchsichtiger Plastikfolie, auf welchem ebenfalls
das Abbild des Seepferdchens samt Buchtitel prangte. Hübsche Idee.

So reiste das Seepferdchen also nun zu mir nach Hause, wo ich gespannt seinen Reisebericht zu lesen begann.
Die Inhaltsangabe auf dem Buchrücken bringt es bereits auf den Punkt: „Dieses Buch fällt aus dem Rahmen":
Auf unerklärliche, märchenhafte Weise finden der menschliche Protagonist Poul und ein namenloses Seepferdchen zusammen
und begeben sich gemeinsam auf eine einjährige Weltreise - jedoch nicht zu Wasser, wie man es von einem Seepferdchen „erwarten" würde,
sondern auf ganz menschlich-herkömmliche Weise per Flugzeug. Aus den tiefen Tangwäldern des Mittelmeeres gelangt das
Seepferdchen so auf wundersame Weise in die Pilzwälder der Wolkenkratzer, in zahllose Hotels, Restaurants, Museen, Theater
und Schauplätze der Welt, angefangen von Lissabon über Südamerika, Westafrika, Madagaskar, Iran, Indien, Bangkok, Hongkong,
Japan und Alaska, insgesamt in 33 Länder, stets nach der Devise „überall ankommen wie ein Kind", sehen, erleben, staunen.

Natürlich kann das Seepferdchen, oder „Mademoiselle Hippocampe" (lat. von Hippocampus = Seepferdchen),
wie Poul seine winzige Reisegefährtin nennt, auch sprechen – nicht zuletzt hat es ja den Reisebericht geschrieben!
– und das nicht nur mit Poul, sondern auch mit anderen Menschen, die ihnen unterwegs begegnen und für solch eine
Kuriosität empfänglich sind. Dabei neigt das Seepferdchen durchaus gerne zu Ironie und Kritik an den Menschen und beweist
dadurch seine Intelligenz (vgl. Hippocampus = Teil des menschlichen Gehirns).

Die Dialoge zwischen den beiden klingen oftmals etwas altmodisch, teilweise gespickt mit inzwischen so nicht mehr im
allgemeinen Sprachgebrauch genutzten Wörtern. Dies mag wohl daran liegen, dass das Buch lt. Internetrecherche
im Jahr 1983 erschienen ist und der Autor im darauf folgenden Jahr im hohen Alter verstarb.
Man kann also nur mutmaßen, wann es geschrieben wurde, falls dies überhaupt „in einem Rutsch" geschah
oder eher über einen längeren Zeitraum hinweg.

Wie dem auch sei – ich empfinde es als ein ganz grossartiges, süsses, liebevolles und wunderbar „anderes" Reisebuch
für alle, die die weite Welt lieben und sich immer auch für die Menschen, ihre Kultur, ihren Glauben und das
„Alltägliche in der Fremde" interessieren.

Zu kaufen gibt es dieses Buch wohl leider nur noch vereinzelt auf eBay oder in Buchantiquariaten – oder vielleicht
in einem öffentlichen Bücherschrank. Dieses Exemplar, was ich nun in Händen halte, wird jedenfalls hier bleiben –
und wer weiss, vielleicht wird das Seepferdchen fortan mit mir reisen. ;-)

 

 

 

 

 

Anthony Bourdain:

 Ein Küchenchef reist um die Welt

(engl.: A Cook's Tour. In Search of the perfect meal)

 

 

 

 

Kurzweiliges, kulinarisches Reisebuch

Dieses Buch hat uns besonders gefallen, da es zwei unserer großen Leidenschaften zusammenbringt: Reisen & gutes Essen.
Anthony Bourdain berichtet in einem locker-lustigen bis zynischem Stil von seiner kulinarische Reise
um die halbe Welt (darunter Vietnam, Kambodscha, Frankreich, Portugal, ...), überall auf der Suche
nach der "perfekten" Mahlzeit. Am besten gefallen hat ihm dabei offensichtlich Vietnam,
dem er ganze vier Kapitel seines Buches widmet, auch wenn sein Fazit letztendlich lautet, dass es
"die" perfekte Mahlzeit gar nicht gibt, dass sie immer wieder völlig unerwartet in
einer anderen "Verkleidung" daherkommen kann.

Autor Anthony Bourdain nahm sich im Juni 2018 in einem Hotelzimmer in Frankreich das Leben. :-(

 

 

 

 

Paul Cullen:

Der Fahrplan ist die Speisekarte

(engl.: Cook's Tour. A Haphazard Journey from Guanghzou to Dublin and Back Again)

 

 

 

 
Der Weg ist das Ziel

Der in Australien lebende Koch Paul Cullen beschließt, zusammen mit seiner Frau und seinen drei Töchtern in sein Heimatland
Irland zu reisen - doch nicht etwa mit dem Flugzeug, sondern von Hongkong aus auf dem Landweg per Eisenbahn.
So führt die abenteuerliche Reise der Familie durch China, Kasachstan, Usbekistan, Russland und Europa.
In seinem Reisebericht erzählt er mit viel Humor und Offenheit gegenüber fremden Kulturen von seinen Eindrücken und
Erlebnissen, von überfüllten Zügen, unwirschem Hotelpersonal, Begegnungen mit Menschen, den Problemen der Verständigung und
den Tücken des Fahrkartenkaufs. Zwischendurch beschreibt er immer wieder unterschiedlichste Speisen, die er
mit seiner Familie in kleinen Garküchen, Bäckereien oder auf bunten Märkten verzehrte, von denen nicht alle unbedingt
als Genuss empfunden wurden ...

Wenn auch nicht mehr ganz neu (die Reise fand 1993 statt) liest sich dieser Reisebericht wie ein spannender Roman,
der immer wieder zum Lachen anregt. Dazu gibt es einige Farbfotos von der Reise -
leider aber nur eine einzige Karte der Route, der einzige kleine Wermutstropfen, alles in allem jedoch
ein schönes, interessantes und humorvolles Buch über das Reisen!

 

 

 

    Charlotte McConaghy:
Avery - Thorne - Isadora
(Die Kaya-Chroniken)

     

 

 

 

Da mir die beiden Romane „Zugvögel“ und „Wo die Wölfe sind“ von Charlotte McConaghy so gefallen haben
war ich sehr daran interessiert, was sie davor so geschrieben hat.
Und ich war sehr überrascht: Fantasy. Wow, etwas völlig anderes!

So nahm ich mir erstmal die 3-bändige Reihe der „Kaya-Chroniken“ vor.
Diese Bücher sind 2013-2016 ausschließlich in Australien erschienen, d.h. es gibt sie lediglich im
englischsprachigen Original und für uns hier am günstigsten als eBooks.
Die Titel der Romane lauten „Avery“, Thorne“ und „Isadora“.

Wie gesagt – es ist Fantasy:
Das heißt es gibt Magie, dunkle Mächte und Fabelwesen (z.B. geflügelte Pferde).
Vor diesem Hintergrund geht es vor allem um den Mut, sich zu sich selbst zu bekennen und zu
akzeptieren und den Mut zu lieben.


Band 1: „Avery“:
Liebende in Kaya sterben immer paarweise, da sie durch einen unwiderrufbaren Bund miteinander verbunden sind.
Wenn ein Geliebter stirbt, stirbt auch der andere, so ist es seit Tausenden von Jahren.
Doch als Avas Gefährte Avery von der barbarischen Königin des kriegerischen Nachbarlands Pirenti ermordet
und Avas Seele dadurch entzweigerissen wird, ist sie die erste, die stark genug ist, um dennoch am Leben zu bleiben.
Doch dafür wird sie nicht etwa gefeiert, sondern die Menschen von Kaya wenden sich fortan von ihr ab.
Derweil schwört Ava sich, den Mord an Avery zu rächen.
Dieser Plan wird jedoch vorerst beendet, als sich Ava auf ihrem Pegasus reitend der Pirenti-Festung
zu sehr nähert und gefangen genommen wird. Auf Befehl der Herrscherin soll ihr Sohn Ambrose sie in das
gefürchtete Pirenti-Gefängnis auf einer entlegenen Insel überführen.

Ambrose ist wie sein älterer Bruder Thorne zum Töten und Hassen erzogen worden, doch auf der gefährlichen
Reise mit der andersartigen Kaya-Gefangenen (die er aufgrund ihrer Verkleidung für einen
jungen Mann hält) zur Gefängnisinsel ändert sich sein Denken zunehmend und - man ahnt es schon: Obwohl Ava seine
rachsüchtige Feindin ist, bahnt sich da etwas an, wodurch es aber insbesondere für ihn nicht einfacher wird,
da im gewalttätigen Land der Pirenti Gefühle als Schwäche verachtet werden.
Und wie wird er selbst mit Avas Tötungsplan an seiner Mutter umgehen,
ganz zu schweigen sein brutaler Bruder Thorne, der halb Mensch, halb Berserker ist?

Klingt jetzt in der Kürze vielleicht etwas platt, ist es beim Lesen aber gar nicht.
Letztendlich ist es eine spannende Fantasy-Romance über Verlust, Identität und darüber, den Mut zu finden,
trotz aller Widrigkeiten zu lieben.
Dabei erspart die Autorin ihren Charakteren nichts – es geht oftmals ganz schön brutal zu:
Da wird geschlagen, gehackt, gestochen, Köpfe und Gliedmaßen werden abgetrennt, das Blut fließt ....

Die Erzählweise ist immer abwechselnd aus der Sicht eines der Hauptcharaktere geschrieben.
Dies ermöglicht einen guten Einblick in die Denkweise jedes Charakters und zeigt, wie vielschichtig und
lebendig die Autorin ihre Charaktere gezeichnet hat.


Der zweite Band „Thorne“ spielt 20 Jahre später, Ambrose und Ava gibt es immer noch, doch neue, jüngere
Charaktere treten nun in den Vordergrund, wobei die Erzählweise gleichbleibt,
also immer abwechselnd aus der Sicht eines der Hauptakteure.

Zwischen Pirenti und Kaya hat sich inzwischen ein noch wackeliger Frieden etabliert.
Mittelpunkt der Handlung bildet die Suche nach einem Heilmittel gegen das paarweise Sterben der
Menschen von Kaya. So wird ein Team, bestehend aus den drei jungen Kayanern Finn, ihrem Zwillingsbruder
Jonah, dem kleinen Penn, der geheimnisvollen Isadora und dem jungen Kronprinzen Thorne von Pirenti
auf die Suche nach der Antwort geschickt. Trotz des offiziellen Friedens zwischen beiden Ländern
lauern jedoch überall noch Gefahren und Feinde …

Durch die Erzählweise aus den unterschiedlichen Perspektiven der Akteure werden diese auch hier wieder
vielschichtig und lebensnah beschrieben, wobei vor allem der etwas andere Penn ein sehr schön
und liebevoll gezeichneter Charakter ist.


3. Band: „Isadora“:

Der dritte und letzte Band schließt zeitlich nahezu unmittelbar an den zweiten Band an.
Das Königreich Kaya wird von einer dunklen Macht gestürzt und sein vermeintlich schwacher Kaiser Falco
muss im Königshaus von Pirenti bei Ambrose, Ava, Thorne und Finn Zuflucht suchen.
Doch je mehr die Länder vom Bösen überschwemmt werden, desto stärker lastet der Druck auf Falco,
endlich die Maske abzulegen, die lange Zeit sein wahres Wesen verbarg, und sich seinem Erzfeind,
dem tödlichen Sparrow, zu stellen, von dem zunächst keiner weiß, wer dieser wirklich ist.

Erschwerend hinzu kommt, dass Falco und Isadora unvermittelt durch das unauflösliche Band der
Liebenden von Kaya aneinander gebunden werden, d.h. der Tod des einen würde nun auch den Tod
des anderen bedeuten. Doch Isadora, die an die Kraft des freien Willens glaubt und sich
weigert, sich einem Schicksal zu ergeben, ist entschlossen, sich zu befreien und ihren eigenen
Weg zu wählen, koste es, was es wolle.

Derweil muss König Ambrose die Kraft finden, seinem Volk eine neue, friedvollere Lebensweise
vorzuleben, bevor seine Familie und sein Land von ihrem gewalttätigen Erbe verschlungen werden.

Es geht im dritten und letzten Band der Kaya-Chroniken also sehr turbulent und kämpferisch zu,
doch die Liebe kommt nicht zu kurz und nimmt sogar einen zentralen Platz in der Handlung ein.
Erneut wird den Charakteren nichts erspart - und leider wird es letztendlich nicht für jeden gut ausgehen …

Mir hat diese spannende Buchreihe sehr gefallen, vor allem weil die Geschichte sprachlich toll erzählt ist,
es etliche Wendungen gibt und den Charakteren eine Tiefe verliehen wurde, die sie sehr lebendig und liebenswert macht.

 

 

 

    Charlotte McConaghy:
The Cure: Fury - Melancholy - Limerence

    

 

 

 

 

Eine weitere spannende Trilogie von Charlotte McConaghy ist „The Cure”,
bestehend aus den Bänden „Fury“, „Melancholy“ und „Limerence“.

Auch diese Trilogie wurde leider ausschließlich im englischen Original in Australien veröffentlicht –
also auch hier wieder am günstigsten die eBooks-Variante.

Vom Genre her ist diese Buchreihe eine Mischung aus SciFi & Romance, deren action- und spannungsgeladene Handlung
in einer nicht allzu fernen Zukunft (2063-2068) spielt und wie auch die Kaya-Chroniken abwechselnd jeweils
aus der Perspektive der Hauptcharaktere erzählt wird:

Die 18-jährige Protagonistin Josephine Luquet lebt in einer apokalyptischen Welt, in der ein Großteil der Menschheit
von einer Seuche dahingerafft wurde. Das herrschende autokratische Regime unterzieht die Überlebenden zwangsweise
einer medizinischen Behandlung („The Cure“), die ihnen die Fähigkeit nimmt, Wut empfinden zu können, da dieses
Gefühl als Ursache für zu viel Gewalt gilt. Eigentlich aber sollen die Menschen durch die Ausschaltung von
Gefühlen wie Wut und Empörung zu ruhig gestellten, gefügigen Drohnen degradiert werden.

Da bei Josephine das Testserum für diese Zwangsbehandlung nicht gewirkt hat, führt sie, um nicht entdeckt zu werden,
ein zurückgezogenes Leben am Rande der Gesellschaft. Doch irgendetwas hat das verabreichte Medikament in ihr
verändert, wacht sie doch seitdem jedes Jahr am Jahrestag ihrer Impfung irgendwo von fremdem Blut besudelt
auf und kann sich nicht erinnern, was sie getan hat …
Nach einer solchen „Blood Moon“-Nacht lernt sie in einer Bar Luke Townsend kennen, der starkes Interesse an ihr zeigt
und ihr im Verlauf des näheren Kennenlernens helfen möchte, die Wahrheit über sich selbst herauszufinden und einen
weiteren blutigen Jahrestag zu verhindern. Doch sowohl die Beziehung der beiden als auch ihr Vorhaben gestalten
sich äußerst schwierig und gefährlich, da überall Gefahren und Feinde lauern, namentlich die regierungstreuen
Elite-Kämpfer der „Bloods“ sowie die kannibalischen „Furies“.
Nicht zuletzt sind auch Lukes Identität und Motivation zweifelhaft, derweil die Zeit für die Suche nach
einem Gegenmittel bis zu Josis nächsten Blood Moon immer knapper wird …

***

Im zweiten Band „Melancholy“ gelingt es der vom „Blood Moon“ geheilten Josi, zusammen mit Luke den „Bloods“ um Haaresbreite
zu entkommen und den Weg zum Widerstand zu finden, einer Gruppe von Menschen, bei denen die Zwangsbehandlung gegen das
Wutempfinden auch nicht angeschlagen hat bzw. die vor ihrer Zwangsimpfung untertauchen konnten.

Doch das Leben im Widerstand ist auch kein Leben in Freiheit: Die Regeln sind hart, die ebenfalls autokratischen Anführer
der Gruppe unbarmherzig und die ständige Bedrohung durch die blutrünstigen Furies wird zunehmend größer.
Derweil plant die Regierung die zwangsweise „Heilung“ der Bevölkerung von einem weiteren menschlichen Gefühl:
Schon in Kürze soll den Menschen auch das Empfinden von Traurigkeit genommen werden, damit sie verlernen,
ihre Verluste zu betrauern. Um dies zu verhindern, wagen sich Luke und Josi zusammen mit einer Gruppe von Widerständlern
zurück in die Höhle des Löwen. Derweil ist ihre Beziehung auf einem Tiefpunkt angelangt, da Josi nun
Lukes Vergangenheit und seine Lügen kennt und ihr Vertrauen in ihn verloren hat.
Um den Kampf für das, was uns menschlich macht – unsere Empfindungen wie Vertrauen, Vergebung und Liebe -
gibt es jede Menge Action und Spannung (und Gewalt) und immer wieder überraschende Wendungen.
Für mich war es wie schon der erste Band ein mega Page-turner!

***

Im dritten Band „Limerence“ haben die blutrünstigen Angriffe der Furies die Gruppe der Widerstandskämpfer
stark dezimiert, so dass diese fortan nur noch in einem hermetisch gesicherten unterirdischen Tunnelsystem überleben kann.
Währenddessen plant die Regierung, als nächstes das Gefühl der Liebe in den Menschen zu eliminieren ...

Im letzten Kampf um die Freiheit gibt es für Josi und Luke keine Grenze, die nicht überschritten wird.
Für Josi bedeutet dies, zu der Kreatur zu werden, die sie am meisten fürchtet: Das Mädchen mit dem „Blood Moon“ ...
Der fesselnde Abschluss der dystopischen Trilogie ist wieder voller Action, Spannung und unerwarteten Wendungen.
Die vielleicht etwas zu vielen Zeitsprünge + die Perspektivwechsel der Erzählweise machen es dem Leser
nicht ganz einfach, man muss schon sehr aufpassen, wo und bei wem man gerade beim Lesen ist.
Andererseits ergibt gerade dies auch wieder unerwartete, spannende Wendungen.

Fazit:
Ich habe auch dieses dritte Buch der Cure-Reihe „gefressen“ – sehr spannend, komplex und intelligent,
actionreich und mit etlichen Wendungen und Hintergedanken. Insgesamt eine tolle Buchreihe!

Noch zwei Randbemerkungen zum 3. Band:
Relativ am Anfang des 3. Bandes wird Josis 22. Geburtstag gefeiert und jemand (Will) schenkt ihr ein Buch
namens „Migrations“ (!) über Vögel … (s. Charlotte McConaghys späterer Roman unter diesem Namen). – Vorsehung???

Es wird immer wieder ein Cellokonzert eines Komponisten namens Elgar erwähnt. Und zwar so oft, dass ich es
googeln musste. Ich habe es mir sogar angehört – also ok, ca. 1/3 davon, länger habe ich es nicht ertragen. Sehr speziell.
Kein eingängiges Stück. Mir hat sich die Musik nicht erschlossen. Ich schätze mal, es beruht auf einer privaten
Erfahrung/Erinnerung der Autorin, denn auf sowas kommt man nicht einfach mal so. Aber interessant.

 

 

 

    Charlotte McConaghy:
Zugvögel / Migrations

 

 

 

 

Der Roman spielt in einer womöglich nicht allzu fernen Zukunft, in der die Folgen des Klimawandels und der Ausbeutung
natürlicher Ressourcen zu einem weltweiten Artensterben längst befürchteten Ausmaßes geführt haben, so dass es
mittlerweile auf der ganzen Erde keine freilebenden Säugetiere mehr gibt. Auch Fische und Vögel gibt es nur noch
vergleichsweise wenige und die Küstenseeschwalbe scheint der einzig noch verbliebene Zugvogel zu sein.

Vor diesem Hintergrund plant die Protagonistin Franny, deren Leben ähnlich rastlos wie das eines Zugvogels erscheint,
die womöglich letzte Migration der Küstenseeschwalben von ihren arktischen Brutplätzen in ihre antarktischen
Überwinterungsgebiete zu verfolgen. Um dies zu realisieren, bleibt ihr keine andere Wahl, als ausgerechnet
auf einem der wenigen verbliebenen Fischerboote mitzureisen, also genau mit denjenigen den Vögeln hinterherzufahren,
die aus ihrer Sicht für die Ausrottung von Tierarten direkt mitverantwortlich sind.
Die Crew ihrerseits und insbesondere Kapitän Ennis sind ebenfalls nicht begeistert von der Anwesenheit einer
unerfahrenen Landratte an Bord, doch der Hoffnungsschimmer, durch die Verfolgung der Zugvögel doch noch den
„goldenen Fang“ im nahezu leergefischten Meer zu machen, besiegelt den Deal.

Abgesehen von ihrer gegenwärtigen Mission ist Franny zugleich in Geschehnissen aus ihrer geheimnisvollen
Vergangenheit gefangen – dem frühen Verschwinden ihrer Mutter, einer Tat ihres Vaters, einem Gefängnisaufenthalt,
ihrer eigenen Suche nach der Wahrheit und der außergewöhnlichen Liebe zu ihrem Ehemann Niall, einem angesehenen
Professor für Ornithologie, dem sie von unterwegs Briefe schreibt, die jedoch nie versendet werden (können).
In Rückblenden erfährt man nach und nach, was sich zugetragen und welche Bedeutung ihr Projekt tatsächlich hat.
Derweil gestaltet sich die Seereise in die Antarktis durch die stürmische, eisig kalte See alles andere als ungefährlich …

Mir hat diese Geschichte sehr gut gefallen, sowohl sprachlich als auch in ihrer Vielseitigkeit.
So ist z.B. das scheinbar konträre Verhältnis zwischen der Protagonistin und der Fischer-Crew sehr gut dargestellt:
Einerseits der Gegensatz zwischen Franny, die für den Artenschutz einsteht, und den Fischern, die immer so weiter machen
wollen wie bisher - andererseits aber auch das Verbindende, das sie wiederum eint: Die Sehnsucht nach dem Meer und nach Freiheit.
Die Reise von Grönland in die Antarktis ist dann packend erzählt wie ein Schiffs-Abenteuerroman, es ist viel die Rede
von Kälte, die immer wieder als zentrales Element in der Geschichte auftaucht und beim Lesen regelrecht spürbar wird.

Ein durchweg sehr schön und fesselnd erzählter Roman, der vor dem Hintergrund rund um Umweltzerstörung und
Artensterben genau in unsere Zeit passt. Dazu gibt es gegen Ende in einer der zeitlichen Rückblenden noch eine
überraschende Aufklärung einer noch offenen Frage bezüglich Frannys Vergangenheit.
Ein Roman, der geradezu schreit nach einer Verfilmung. Wie zu lesen ist, gibt es seit nun schon
einigen Jahren auch ein Filmprojekt – nur passiert ist bis dato (2024) leider noch nichts.
Also erstmal bzw. sowieso: Unbedingt lesen!

P.S.:Neben der packenden Story erfährt man auch noch so einiges Interessantes:
So wusste ich z.B. nicht, dass die Küstenseeschwalbe der Zugvogel mit dem längsten Zugweg ist, dass überhaupt ein Vogel
so eine weite Strecke zurücklegt von der Arktis bis in die Antarktis und wieder zurück, laut Wikipedia hin und
zurück bis zu 30.000 km jährlich (!), einige sogar noch mehr!
Das ist wirklich krass - wahre Vielflieger sozusagen, das aber rein ökologisch. ;-)

 

 

 

 

David Mitchell:

Der Wolkenatlas

(engl.: Cloud Atlas)

 

 

 

 

 

Der „Wolkenatlas“ ist eine spannende literarische Reise der besonderen Art:

Angelehnt an den Gedanken an ein musikalisches Sextett für einander sich überschneidende Solostimmen
wird jede der insgesamt sechs Kurzgeschichten von der nachfolgenden Geschichte unterbrochen
beziehungsweise abgelöst, um dann jeweils in umgekehrter Reihenfolge fortgesetzt und zu Ende geführt zu werden.

Klingt kompliziert, ist es aber nicht.
Die sechs Geschichten beschreiben sechs Lebenswege an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten:

Den eines amerikanischen Notars, der um 1850 durch die Südsee reist, eines britischen Komponisten,
der 1931 in Belgien am „Wolkenatlas-Sextett“ arbeitet, einer amerikanischen Journalisten, die in den
80er Jahren einen Atomskandal aufdecken will, eines englischen Verlegers, der von seinem gehörnten
Bruder in die Irre geführt wird, einer geklonten koreanischen Sklavin in der Zukunft, die für das
Recht kämpft, auch ein „Kosument“ ( = Mensch) sein zu dürfen, sowie eines postapokalyptischen
Ziegenhirten, der den Untergang des verbliebenen Rests der Zivilisation miterlebt.

  Trotz der großen Zeitspanne von mehreren Jahrhunderten, unterschiedlicher Erzählstile (Romanform, Tagebuchform,
Briefform, Interview) und verschiedener literarischer Genres (antiquierter Reisebericht, packender Thriller,
düstere Science-Fiction) taucht immer wieder ein Detail auf,
welches die nachfolgende Episode mit der vorigen verbindet.

Doch noch etwas ganz anderes zieht sich wie ein roter Faden durch Mitchells Menschheitsgeschichte und gibt so einiges zu denken:

Die unersättliche Gier des Menschen nach Geld, seine Gier nach Macht und die daraus resultierende Ausbeutung,
Unterdrückung und Ausrottung des jeweils Schwächeren bis hin zum Niedergang der Zivilisation und zur unfreiwilligen
Selbstausrottung. Am Ende ist der Erste zwangsläufig der Letzte …

Einen Lichtblick aber gibt es:

„… « Wer gegen die Hydra der menschlichen Natur kämpft, muss dafür mit unendlichem Leid bezahlen, und seine Familie bezahlt mit ihm!
Erst wenn du deinen letzten Atemzug getan hast, wirst du begreifen, dass dein Leben nicht mehr gewesen ist
als ein Tropfen in einem grenzenlosen Ocean!»

Was aber ist ein Ocean anderes als eine Vielzahl von Tropfen?“

 

 

 

 

J.R.R. Tolkien:

Der kleine Hobbit

&

Der Herr der Ringe

(engl.: "The Hobbit" &

"Lord of the Rings")

 

 

 

Zwei Reisen, die hier nicht fehlen dürfen, sind die von Bilbo Beutlin aus dem "kleinen Hobbit"
und der Gefährten aus der "Herr der Ringe"-Trilogie.

Beide Werke Tolkins kennen und lieben wir seit langer Zeit und wir sind auch große Fans der Verfilmungen von Peter Jackson.
Wer lediglich die Filme kennt, sollte wirklich auch mal die ihnen zugrundeliegenden Bücher von J.R.R. Tolkien lesen.
Keine Frage - die Filme sind super und Peter Jackson hat die Geschichten sehr gut zusammengefasst bzw. im Hobbit auch ergänzt.
Dennoch beinhalten die Bücher noch einiges mehr an Ereignissen, Stimmungen, Charkteren und Hintergründen, vor allem im "Herr der Ringe",
und sind sehr anschaulich, spannend und schön geschrieben - erst das Lesen entführt einen wirklich
auf die großen Reisen durch Mittelerde.

Auf Inhaltsangaben sei hier verzichtet. Wer die Geschichten noch nicht kennt, sollte besser erst lesen,
aber letztendlich ist die Reihenfolge egal.
Für uns beides Meisterwerke.

 

 

 

 

von Westphalen, Joseph:

Im diplomatischen Dienst

 

 

 

 

 

Der Protagonist Harry von Duckwitz wird aus Faulheit Diplomat und liebt es, überall zu provozieren und anzuecken,
sei es in Kamerun, Ecuador oder in der Eifel. Seine zweite Leidenschaft gilt den Frauen,
wobei es ihm stets schwer fällt, sich auf eine einzige zu beschränken.
Damit bringt er gehörigen Schwung in den sonst eher biederen diplomatischen Dienst,
was natürlich nicht überall gut ankommt ...

Da das Buch 1992 geschrieben wurde, sind die erwähnten politischen Ereignisse
(Tschernobyl, Hauptstadtdebatte, Mauerfall) inzwischen passé, dennoch sind die ironischen Betrachtungen
von Duckwitz immer wieder amüsant zu lesen. Die Fortsetzung ist unter dem Titel "Das schöne Leben"
erschienen und ist auch noch lesenswert, jedoch wird in Bezug auf Frauen und Zeitgeist-Kritik
auf Dauer zu sehr übertrieben - ein bißchen "Alter, weißer Mann"-Ansichten (eine weitere Fortsetzung sei
aus letzterem Grund hier nicht mehr empfohlen).

 

 

 

 

Wackwitz, Stephan:

 Walkers Gleichung

 

 

 

 

 

Ein wenig erinnern die Rahmenbedingungen zu „Walkers Gleichung" an einen gewissen Harry Duckwitz
(s.o. „Im diplomatischen Dienst"): Tropische Kulisse, Botschaftsmilieu und ein
sympathischer „schräger Vogel" als Protagonist, dem seine Frauengeschichten wichtiger sind
als sein Botschaftsjob. Allerdings ist die Geschichte des Siegmund Walker weitaus genialer:
Selbst nicht Diplomat, sondern lediglich Referent einer Stiftung, der an der deutschen Botschaft eines
Tropenstaates Schreib- und Zuarbeiten erledigt, geht Walker privat gerne seinen schriftstellerischen
Ambitionen nach, indem er Essays für deutsche Zeitungen schreibt - gleichwohl er sich
schmerzlich bewusst ist, dass der Essayist als solcher in der breiten Öffentlichkeit, sprich:
vor allem bei den Frauen (die seine zweite Leidenschaft sind), nur wenig gilt und im Vergleich zum
Romanschreibers nie so recht Ernst genommen wird.

So geschieht es, dass er, um bei seiner Angebeteten Juliana landen zu können, vorgibt, an einem
Roman zu schreiben - und zwar über die Auslandsdeutschen der tropischen Inselhauptstadt, also
seine Vorgesetzten, Kollegen, Freunde, Bekannten, etc. Diese Äußerung kommt zwar wunschgemäß bei den
Frauen sehr gut an, in anderen Kreisen jedoch ist man wenig begeistert von Walkers Ansinnen,
„… die Verbindungen zwischen wirtschaftlicher, politischer und kultureller Macht, ... die Mischung
aus Erotik, Korruption und Verbrechen …" nicht nur als Fiktion, sondern als lebendigen
Lebenshintergrund darzustellen. Die Frage, die sich bei alldem stellt,
ist, ob und wie am Ende Walkers Gleichung mit mehreren Unbekannten aufgeht
und was am Schluss für ihn übrig bleibt.

Der Autor beschreibt mit viel Ironie und Humor einen illustren Kreis von Auslandsdeutschen
(„… nach heimischen Maßstäben komfortabel gescheiterte Existenzen. [...] mit zu Hause wertlosen
Doktortiteln ..."), in dem die Maxime „Nichtstun und Doch-irgendwie-etwas-Sein" gilt,
und den deutschen Kulturbetrieb an sich. Dabei können die ineinander verschachtelten Sätze gut und gern
auch mal eine halbe Seite lang werden, was das Lesen stellenweise etwas anstrengend macht.
Langeweile aber kommt an keiner Stelle auf - im Gegenteil:
„Walkers Gleichung" ist eine geniale, spannende und witzige Satire.

 

 

 

 

 

 

Schatztruhe

Home

 

Impressum und Datenschutzerklärung