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Buchtipps Frankreich, Spanien, Portugal |
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(franz.: Les Mandarins) |
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Die „Mandarins von Paris“ ist ein Meisterwerk Simone de Beauvoirs (1908 - 1986), in welchem private Schicksale |
Durch Zufall bin ich auf diese nicht nur in Frankreich begeistert gefeierte Großstadt-Trilogie der Autorin Virginie Despentes gestoßen,
die von Kritikern mit Balzac und Zola verglichen oder als feministische Antwort auf Houellebecq bezeichnet wird. In Windeseile habe ich die drei Bände verschlungen und muss sagen – Wow, ein wirklich gelungener Wurf: Ein fesselnder, ungeschönter Roman aus dem wahren Leben und zugleich ein realitätsnahes Panorama unserer heutigen Gesellschaft, nicht nur bezogen auf den Handlungsort Paris. Worum geht‘s? Band 1: 20 Jahre lang führte Vernon Subutex einen angesagten Kult-Plattenladen in Paris und ein Leben mit Sex & Drugs & Rock‘n’Roll, bis plötzlich alles vor die Hunde geht und er von jetzt auf gleich zu den Verlierern der Digitalisierung zählt und völlig mittellos auf der Straße steht. Was ihm zum Glück bleibt, ist eine lange Liste von Freunden, Bekannten und Kontakten auf Facebook. Diese klappert er nun nach und nach ab, um mittels einer Notlüge jeweils für ein paar Tage irgendwo unterzukommen, ohne auch nur ansatzweise einen Plan zu haben, wie sein Leben weitergehen soll. Im Zentrum jedes Kapitels steht jeweils ein Charakter mit seinem individuellen Lebenshintergrund und seinen persönlichen Ansichten zu gesellschaftlichen Themen. Da wären zum Beispiel Xavier, der frustrierte, erfolglose Drehbuchautor mit rechtsextremen Ansichten; Die attraktive Ex-Porno-Queen Pamela Kant (Nomen est omen …), die ein Lehrbuch für Kinder zum Thema Pornografie schreiben will; Patrice aus der Vorstadt, der schnell mal zuschlägt, wenn seine innere Wut überbrodelt; Der alleinerziehende Vater Sélim, der miterleben muss, wie ihm seine geliebte Tochter Aïcha mehr und mehr entgleitet; Aïcha, die für sich den Islam als neuen Rückhalt gefunden hat und die ein für sie furchtbares Geheimnis aufdeckt … So zeichnet Vernon’s ziellose Couchsurfing-Tour durch Paris das Bild einer urbanen Gesellschaft, deren Vertreter infolge von Gentrifizierung und der Verarmung breiter Bevölkerungsgruppen überwiegend desillusioniert, angsterfüllt und egoistisch sind und in der vor allem die Jungend zunehmend angepasst, materialistisch oder reaktionär ist. Das neben Vernon und der Musik weitere Bindeglied zwischen all diesen höchst unterschiedlichen Charakteren ist der an einer Überdosis verstorbene, ehedem sehr erfolgreiche Musiker Alexandre Bleach. Dieser hat seinem Freund Vernon ein Vermächtnis in Form von drei Videobändern hinterlassen, die als sein letztes Interview gelten. Während sich Vernon die Videos nicht einmal angeschaut hat, ist manch anderer sehr an diesen interessiert, insbesondere der wohlhabende Filmproduzent Dopalet, der eine Undercover-Cyber-Aktivistin, „die Hyäne“, damit beauftragt, ihm die Bänder zu beschaffen, wobei seine Gründe dafür zunächst im Dunkeln liegen. Da Vernon nirgendwo lange bleibt und immer wieder verschwindet, starten seine vom schlechten Gewissen geplagten Freunde schließlich unter #subutex im Netz eine Suche nach ihm, von der er selbst nichts weiß. --- Virginie Despentes erzählt knallhart, politisch unkorrekt und schonungslos, zugleich aber auch humorvoll und erzählerisch sehr gekonnt. Ihre sehr direkte Sprache, vor allem auch wenn es um Sex geht, mag für manchen Leser gewöhnungsbedürftig sein – aber so ist’s nun mal, willkommen in der Realität! Ich kann mich nur den zahlreichen lobenden Kritiken an dieser Trilogie anschließen, die sich wunderbar leicht lesen lässt, dabei aber dennoch nicht an der Oberfläche steckenbleibt. Zu den folgenden zwei Bänden soll nur so viel verraten werden: Bände 2 & 3: Natürlich werden ihn seine Freunde finden – doch wie wird es weitergehen mit dem obdachlosen Vernon Subutex? Welche gefährliche Wahrheit werden die Videobänder von Alex Bleach zutage fördern und welche Konsequenzen wird diese für die Betroffenen haben? - Auch wenn sich die Hauptperson Vernon mehr und mehr zum Mittelpunk und Fixstern der sich neu formierten Gemeinschaft entwickelt, die regelrecht um ihn kreist bzw. tanzt, tritt er im 2. Band zugleich auch etwas in den Hintergrund, was Raum für die Weiterentwicklung der anderen Charaktere schafft, bei denen es ebenfalls spannend weitergeht. Im 3. Band ist die Geschichte um Vernon Subutex dann im Jahr 2015 angekommen, dem Jahr der Anschlagsserie vom 13. November in Paris, deren Auswirkungen auf die Bevölkerung sich in den Protagonisten widerspiegeln. Und die Konsequenzen aus der Enthüllung der Videobänder von Alex Bleach haben für zumindest eine Person furchtbare Folgen … Das Ende ist letztlich vielleicht fast erwartbar, ganz am Schluss gibt es dann noch einen kurzen visionären Ausblick. Ob man Letzteren jetzt wirklich gebraucht hätte, sei dahingestellt und ist letztendlich auch egal. Es bleibt auf jeden Fall schrill, bunt und fesselnd erzählt! |
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Trotz ihrer stolzen 105 Jahre betreibt Rose ein Restaurant in Marseille und ist sowohl in Gedanken als auch in Taten noch ungewöhnlich fit.
Nun schreibt sie ihre Memoiren und erzählt ihre ganz persönliche Reise durch die oft blutige europäische Geschichte des 20. Jahrhunderts. Geboren 1907 am Schwarzen Meer muss sie als kleines Mädchen den Völkermord an den Armeniern hautnah miterleben. Nur mit Glück kann sie ihr Leben retten und gelangt nach Frankreich, begleitet von ihrer kleinen Freundin, der Salamanderdame Theo, die für Rose Heimat, Familie, Gewissen und Gegenstück zugleich ist. Ihr Leben bleibt dennoch zunächst ein beständiges Auf und Ab, ein Fallen vom Regen in die Traufe, ein Kampf ums Überleben. Doch nie verliert Rose ihren Lebensmut, der von ihrem unerschütterlichen Glauben „an die Macht der Liebe, des Lachens und der Rache“ immer wieder neu genährt wird. Eines Tages findet sie ihre große Liebe, kommt nach Paris und eröffnet dort ein Restaurant, das schon bald eines der besten der Stadt wird. Doch der zweite Weltkriegt naht und in der Hoffnung, ihre Lieben retten zu können, muss Rose sich im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Teufel einlassen. Nach Ende des Krieges kehrt sie nach Frankreich zurück, wo sie eine missglückte Racheaktion an einer Person auf ihrer „Hassliste“ zur Flucht in die USA zwingt - um einmal wieder neu anzufangen … Fazit: Ein locker geschriebener, abwechslungsreicher und stellenweise sehr humorvoller „Easy Reader“, eingebettet in die Geschichte des 20. Jahrhunderts und gewürzt mit einigen (im Guten wie im Bösen) bekannten Vertretern dieser Epoche. |
Der Club der unverbesserlichen Optimisten
(franz.: Le club des Incorrigibles Optimistes)
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Der Roman spielt im Paris der frühen 1960er
Jahre und ist eine Mischung aus "Coming-of-Age" (Entwicklungsroman), Familiendrama und
europäischer Zeitgeschichte in politsich turbulenten Zeiten - stets gewürzt mit einer guten Prise Humor und Optimismus. Der Ich-Erzähler Michel Marini, anfangs gerade mal zwölf Jahre jung, interessiert sich nicht für die Schule, spielt dafür lieber Tischfußball oder Schach, fotografiert gerne und liebt vor allem das Lesen von Büchern - sowohl während des Schulunterrichts als auch im Gehen durch die Straßen von Paris. In den Jahren bis zu seinem Abitur ist sein Leben geprägt von Problemen in der Schule, Ärger mit der Familie, vom Einzug des Rock'n'Roll und der ersten Liebe, das Ganze vor dem politischen Hintergrund des kalten Kriegs und vor allem des Algerienkriegs, zu dem sich sein sieben Jahre älterer Bruder Franck freiwillig meldet. Den Fortgang des Bruders kompensiert Michel durch die Freundschaft zu dessen Freundin Cécile, deren Bruder Pierre ebenfalls in den Algerienkrieg zieht. Mit ihr verbringt er einen Großteil seiner Freizeit, am liebsten im Jardin du Luxembourg am romantischen Médicis-Brunnen. Doch nichts ist von Dauer und alles entwickelt sich anders als erhofft. Im Verlauf der Ereignisse und Jahre empfindet Michel sein persönliches Umfeld zunehmend als Wüste, da einer nach dem anderen der ihm Nahestehenden plötzlich fort ist oder ihn verlässt. Eines Tages entdeckt er im Hinterzimmer eines Bistros den »Club der unverbesserlichen Optimisten«, einen Treffpunkt heimatloser, politischer Flüchtlinge aus verschiedenen Ostblock-Staaten, an dem auch Jean-Paul Sarte ab und zu anzutreffen ist. Die durchweg viel älteren Clubmitglieder akzeptieren den jungen Michel und in Rückblicken erfährt man ihre Geschichten und Beweggründe, weswegen sie ihre Heimat und ihre Familien fluchtartig verlassen mussten. Mit dem geheimnisvollen Sascha, der in einem Fotogeschäft arbeitet und dem die Clubmitglieder aus unbekannten Gründen feindselig gegenüberstehen, freundet sich Michel näher an. Erst am dramatischen Ende des Romans wird dessen tragischer Hintergund aufgelöst und mit den Geschichten einiger der Clubmitglieder verwoben. Zugegeben: Der Roman wimmelt geradezu von Charakteren, Lebensgeschichten und Nebenschauplätzen. Andererseits hat man auf 680 Seiten auch hinreichend Zeit, diese kennenzulernen. Schön formulierte Sätze und ein durchweg sprachlich unterhaltsamer Plauderton machen das Lesen leicht und bringen auch vermeintlich "schweren" Stoff verständlich rüber, u.a. über osteuropäische, v.a. russische Zeitgeschichte nach dem 2. Weltkrieg. Was mir in diesem Buch besonders gefällt, ist das Lokalkolorit von Paris. Auch wenn die meisten der Protagonisten und ihre Geschichten aus Osteuropa stammen - die Stadt ist stets präsent und ein prägender Schauplatz der Handlung. Insbesondere der immer wieder beschriebene und erwähnte Treffpunkt am Médicis-Brunnen mit seinen wunderschönen Marmorstatuen der Liebenden Galatea und Acis im Jardin du Luxembourg vermittelt mir unmittelbar das Gefühl, gemeinsam mit den Protagonisten mitten in Paris zu sein. Völlig irreführend erscheinen mir allerdings das Coverfoto sowie der Text auf dem Buchrücken: Die abgebildeten Personen passen nicht zu den im Roman beschriebenen, auch sind die Protagonisten nie mit einem Hund unterwegs und überhaupt gibt es diese gesamte Szene nicht im Buch! Wer dieses Foto sieht, denkt an eine Liebesgeschichte - und wird damit völlig irregeführt. Besagter Text unterstützt den durch das Foto gewonnenen, falschen Eindruck. Sicher geht es in dem Roman auch um Liebe - die erste große Liebe oder die Liebe zum Heimatland. Doch das eher am Rande. Viel mehr geht es um Heimatlosigkeit, Verlorenheit, das Erwachsen- und Verlassenwerden, eingebettet in den Rahmen eines Epochenbilds des Paris der 1960er Jahre. Ein wirklich sehr schön geschriebenes Buch, das verdientermaßen 2009 in Frankreich mit dem »Prix Goncourt des lycéens« ausgezeichnet wurde. |
(franz.: La vie rêvée d'Ernesto G.) |
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Auch in Jean-Michel Guenassias zweitem Roman ist die Rahmenhandlung in europäische Zeitgeschichte eingebettet, |
Aldebaran (franz.: Les marins perdus) |
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Seit Wochen hängt der Frachter Aldebaran im Hafen von Marseille fest, da der Reeder bankrott gegangen ist. |
Jean-Claude Izzo: Die Marseille-Trilogie |
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Die „Marseille-Trilogie“ umfasst die Kriminalromane „Total Cheops“, „Chourmo“ und „Soleia“ des aus Marseille |
Mein Jahr in der Provence & Toujours Provence (franz.: Une année en Provence) |
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Der Engländer Peter Mayle und seine Frau haben sich einen Traum verwirklicht und im Lubéron, genauer gesagt in Ménerbes, ein Haus gekauft. |
Eine Kindheit in der Provence (franz.: La gloire de mon père) |
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Eine
weitere Liebeserklärung an die Provence sind die Kindheitserinnerungen des gebürtigen Marseillers Marcel Pagnol (1895 - 1974). |
Zazie in der Metro (franz.: Zazie dans le métro) |
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Die zehnjährige Zazie verbringt zwei Tage bei ihrem Onkel Gabriel in Paris und will eigentlich nur eines:
Peter Kerr:
Im Tal der Orangen / Manana Manana
(engl.: Manana Manana - One Mallorcan Summer)
Wer Peter Mayles Erfahrungsbericht aus der Provence kennt (s. Rezension weiter oben auf dieser Seite) weiss, was ihn hier erwartet:
Der Schatten des
Windes (span.: La Sombra del Viento)
Carlos Ruiz Zafós entführt den Leser in das Barcelona zwischen 1945 und 1966, in die Zeit nach dem spanischen Bürgerkrieg
Erklärt Pereira (engl.: Pereira Declares: A
Testimony)
Portugal im Sommer 1938: Pereira, der einsame, verwitwete und an Politik desinteressierte Kulturredakteur der Abendzeitung „Lisboa“,
Dieser Wandel des Protagonisten ist nicht in klassischer Erzählform geschrieben, sondern wie das Protokoll einer Zeugenaussage.
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