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Buchtipps USA |
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Rumaan Alam: Inmitten der Nacht (engl.: Leave the World behind)
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Eine Familie aus New Yorks weißer, oberer Mittelschicht fährt für eine Woche nach Long Island,
um dort Urlaub zu machen. Zwar können Amanda und Clay ihren Kindern Archie und Rose kein Ferienhaus am Strand bieten, aber immerhin ein abgeschiedenes, gut ausgestattetes Haus mit Pool im Hinterland. Doch die vermeintliche Ferienidylle hält nicht lange an, steht doch eines späten Abends plötzlich ein älteres, schwarzes Paar vor der Tür. Einbrecher? Betrüger? Mörder? - Amanda und Clay wissen zunächst nicht, ob sie sich fürchten oder gar verteidigen müssen. Doch es soll noch mehr Unheimliches geschehen: Wie sie von dem Paar erfahren, hat es im Großraum New York einen Stromausfall gegeben, Fernsehen, Handys und Internet funktionieren auch bei ihnen auf Long Island plötzlich nicht mehr, d.h. es gibt keinen Zugang mehr zu Nachrichten; Tochter Rose beobachtet, wie am Waldrand Hunderte von Rehen in einem riesigen Verbund fortziehen; plötzlich gibt es einen ohrenbetäubenden, furchterregenden Knall, der alle in Angst und Schrecken versetzt ... Was tun? Zurück in die Stadt oder im vermeintlich sicheren Refugium bleiben? Wie an Informationen gelangen? Und die größte aller Fragen: Was ist eigentlich passiert? – Aber es gibt keine Antworten. Nur die bange Ungewissheit … Im Lauf der Erzählung gibt es dazu immer wieder Informationen eines allwissenden Erzählers an die Leser, die den Protagonisten des Romans jedoch nicht bekannt sind. Und dies sind alles andere als gute Nachrichten ... Mir erschien der Roman anfangs etwas banal, wenn auch interessant gespickt mit gesellschaftlichen Problemen und Ängsten der US-amerikanischen Gesellschaft: Unterschwelliger bis offener Rassismus, der Wahn von Reichtum und gesellschaftlichem Status, die Angst vor Wohlstandsverlust, der Wald als Symbol der Angst etc. Aber als dann all die unerklärlichen Dinge geschehen und dem Leser immer mehr verraten wird (letztendlich aber auch nicht alles), hat mich die Story, die sich nahezu zu einem Quasi-Kammerspiel rund um das Ferienhaus entwickelt, doch sehr berührt und in ihren Bann gezogen. Was ist passiert? Wie würde man selbst reagieren im Angesicht einer vermeintlich (?) lebensbedrohenden Katastrophe, gegen die man machtlos ist? Würde man es schaffen, als moralisch guter Mensch dazustehen oder würde man dabei versagen (wie einer der Protagonisten)? Fazit: Ein sehr lesenswerter Roman unserer Zeit, der einfach zu lesen ist, zugleich aber nachdenklich stimmt (wenn man Letzteres möchte). P.S.: Mal wieder ist es eines dieser Bücher, wo ich mich nach dem Lesen Frage: Warum wurde der ursprüngliche Titel nicht einfach ins Deutsche übersetzt? - Ist mir völlig unverständlich. "Inmitten der Nacht" ist eine Szene der Erzählung - ok, eine wichtige, denn der Urlaub verlief ab dem nächtlichen Vorfall völlig anders als geplant, so gesehen schon ein Wendepunkt. Aber eben nicht DER wichtigste Moment. "Die Welt zurücklassen" klingt im Deutschen vielleicht etwas zu seltsam, auf jeden Fall aber weniger reißerisch wie "Inmitten der Nacht", das eher einen Krimi oder Thriller suggeriert, was dieser Roman jedoch nicht ist. Netflix hat sich übrigens eine Verfilmung gesichert (mit Julia Roberts und Denzel Washington in Hauptrollen), die Ende 2023 rauskommen soll. Darauf bin ich sehr gespannt! |
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(dt: Der Fänger im Roggen)
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Einer der Buchklassiker überhaupt, ein New York-Klassiker, ein Jungendbuch-Klassiker.
Und erstaunlich: Erstmals mit 14 Jahren gelesen, zählt der 1951 erschienene Fänger im Roggen nach wie vor zu meinen Lieblingsromanen. Es geht vor allem um drei Tage, die der sechzehnjährige Holden Caulfield allein in New York verbringt, nachdem ihm mitgeteilt wurde, dass er aufgrund schlechter schulischer Leistungen mal wieder von einem Internat fliegen wird. Es ist kalter Winter, drei Tage vor Beginn der Weihnachtsferien. Genervt von seinen Mitschülern beschliesst er nach einem nächtlichen Streit mit seinem Zimmergenossen Stradlater, der früher am Abend Holdens einstigen Schwarm Jane Gallagher gedated hat, das Internat noch in derselben Nacht zu verlassen. Jedoch will er erst dann nach Hause zu seinen Eltern gehen, nachdem der Brief der Schule mit der Mitteilung über seien Rauswurf bei diesen angekommen sein wird und diese sich - so seine Hoffnung - bereits wieder etwas beruhigt haben werden. So mietet er sich in der Stadt für eine Nacht in einem billigen Hotel ein und streift durch Manhattan auf der Suche nach menschlicher Nähe, Ehrlichkeit und Empathie. Doch was ihm in den Straßen, Bars und Restaurants oder im Hotel begegnet, sind vor allem falsche, aufgesetzte Vertreter der Welt der Erwachsenen: Verständnislose Taxifahrer, desinteressierte Prostituierte, ein schmieriger Zuhälter, "perverse" Sonderlinge, oberflächliche Touristinnen, egozentrische Aufschneider und falsche Freunde, die ihn allesamt lediglich noch mehr deprimieren. Schliesslich gelingt es ihm, sich ohne Kenntnisnahme seiner Eltern heimlich mit seiner zehnjährigen Schwester Phoebe zu treffen - einer der ganz wenigen Menschen, die Holden nicht deprimieren, da sie nicht aufgesetzt und falsch sind, sondern zuhören, verstehen und mitfühlen können (wie u.a. auch sein verstorbener Bruder Allie, ein ehemaliger Lehrer oder Jane Gallagher). Dabei bringt ihn die kleine Phoebe dazu, sich selbst zu reflektieren, indem sie ihn fragt, ob es denn überhaupt etwas gäbe, was er wirklich gerne machen oder sein würde. - Und hier kommt der Buchtitel ins Spiel, denn Holden erinnert sich an ein Gedicht, welches er allerdings falsch in Erinnerung hat: „If a body meet a body coming through the rye“ („Wenn jemand jemanden trifft, der durch den Roggen kommt“) lautet in seiner Erinnerung „If a body catch a body coming through the rye“ („Wenn jemand jemanden fängt, der durch den Roggen kommt“). Und genau das möchte er sein: Der Fänger im Roggen, der in einem Roggenfeld spielende Kinder davor bewahrt, versehentlich den nahegelegenen Abbgrund hinabzustürzen, indem er sie vorher fängt. Im übertragenen Sinn also derjenige, der die Kinder davor bewahrt, ihre Unschuld zu verlieren und in die Falschheit und Verlogenheit der Erwachsenenwelt abzustürzen. In der Realität entscheidet er sich dann jedoch dafür, New York und seine Familie zu verlassen, um im Westen sein Glück zu suchen. Nicht aber wie sein älterer Bruder D.B., der sich in Hollywood als Drehbuchautor "prostituiert", wie Holden es nennt, sondern als vermeintlich Taubstummer in einer einsamen Waldhütte, damit er nie mehr an den falschen Konversationen seiner Mitmenschen teilhaben muss. Vorher möchte er sich aber noch von Phoebe verabschieden ... Ein tolles, empfehlenswertes (Jungend-) Buch - auch heute noch, vor allem in Bezug auf die unterschwellige Kritik an einer Gesellschaft, die vor allem oberflächlich, Ich-bezogen und verlogen ist. Ich besitze das Buch im englischen Original und war noch nie ein Fan der deutschen Übersetzung, muss aber hinzufügen, dass es inzwischen neuere geben soll, die möglicherweise besser sind als diejenige von Heinrich Böll, welche ich kenne. "Problem" ist der Sprachstil, der eine damalige, schnodderige und mit Fluchwörtern gespickte Umgangssprache wiedergibt, die zum einen damals nicht jedem passte und zum anderen nicht ganz einfach 1:1 in eine äquivalente deutsche Umgangssprache zu übersetzen war. Interessantes Detail am Rande: Ganz am Anfang liest Holden zum wiederholten Mal den Roman "Out of Africa" von Isak Dinesen (aka Tania Blixen), ein weiteres meiner persönlichen Lieblingsbücher, das hier an anderer Stelle ebenfalls empfohlen wird. ;-) |
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Paul Auster: Die New York-Trilogie (engl: The New York Trilogy)
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Paul Austers New York Trilogie umfasst drei eigenständige Kurzromane, die in New York City spielen,
und zunächst jeweils wie eine Detektivgeschichte anmuten, im eigentlichen Sinne jedoch keine sind: "Stadt aus Glas" ("City of Glass"), "Schlagschatten" ("Ghosts") und "Hinter verschlossenen Türen" ("The locked Room"). Sie sind eher Geschichten über entwurzelte Einzelgänger, die Einsamkeit und Verlorenheit des Einzelenen in der Masse bis hin zum Verlust der eigenen Idenität und der Suche nach einer neuen. So ist beispielsweise der Protagonist aus "Stadt aus Glas", der erfolglose Krimiautor Daniel Quinn, zugleich sein Autoren-Pseudonym William Wilson als auch seine Romanfigur, der Privatdetektiv Max Work. Hinzu kommt ein mysteriöser, nächtlicher Anrufer, der sich Peter Stillmann nennt, ihn für einen Privatdetektiv namens Paul Auster hält und damit beauftragt, ihn vor seinem Vater, der ebenfalls Peter Stilmann heisst, zu beschützen. Quinn nimmt den merkwürdigen Auftrag an, recherchiert und findet schliesslich den gesuchten Stillmann Senior. Tag für Tag folgt Stillmann auf seinen Wegen durch Manhattan, zeichnet diese abends zuhause nach und muss eines Tages erschrocken feststellen, dass diese Wege durch die Stadt nicht zufällig erfolgen, sondern eine Botschaft ergeben ... Daraufhin spricht er Stilmann Senior unterwegs öfters an, wird jedoch beim nächsten Mal nie wieder erkannt. Derweil ist Stilmann Junior plötzlich nicht mehr auffindbar und der Name des Privatdetektivs Paul Auster führt ihn zu einem Schriftsteller, der ihm allerdings nicht weiter helfen kann. Schliesslich kommt es zum vollständigen Verlust ... Das alles klingt alles ziemlich verwirrend und vor allem irgendwie unheimlich, kommt aber klar und spannend rüber, v.a. auch als Hörbuch! In "Schlagschatten" gibt es schon gar keine richtigen Namen/Identitäten mehr, die drei Protagonosaten heissen schlicht Blue, Black und White. Dabei erhält Blue von White den Auftrag, Black vom Haus gegenüber aus zu beschatten, der allerdings nicht viel macht ausser Schreiben, Lesen und kleinere Einkäufe zu tätigen. Nach Monaten ohne größere Veränderung hegt Blue den Verdacht, dass Black in Wirklichkeit White ist, sein Auftraggeber ... In "hinter verwschlossenen Türen" verschwindet ein unbekannter Schriftsteller namens Fanshawe spurlos und wird für tot gehalten. Ein von der Witwe beauftragter, namenloser, ehemaliger Freund Fanshaws soll dessen Nachlass regeln und erhält eines Tages einen Brief des Totgeglaubten, in welchem dieser ihn bittet, die Witwe zu heiraten und ihn selbst weiterhin als tot gelten zu lassen. Entgegen der ausdrückliche Warnung des Verschwundenen, ihn nicht zu suchen, begibt er sich auf die Suche nach Fanshawe ... Drei unheimliche, rätselhafte und sehr gut geschiebene Geschichten aus New York, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben, in Details jeoch immer wieder miteinander verbunden sind - zum Beispiel in form eines ein roten Notizbuchs, einen Detektiv in der 3dritten Erzählung namens Quinn oder jemand weiteren in der dritten Geschichte, der sich Peter Stillmann nennt. |
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T.C. Boyle: Grün ist die Hoffnung (engl.: Budding Prospects)
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Der Ich-Erzähler Felix hat in seinem jungen Leben schon vieles ausprobiert – Boy Scouts, Basketball, College, Army, Heirat sowie diverse Jobs – jedoch mangels Ausdauer immer wieder alles aufgegeben. Als ihm eines Tages die Chance, innerhalb eines Jahres eine halbe Million Dollar zu verdienen, in den Schoß fällt, nimmt er sich vor, diesmal dran zu bleiben und die Sache bis zum Ende durchzuziehen. Der denkbar einfach klingende Auftrag lautet, in den abgelegenen Hügeln Nordkaliforniens auf einer Fläche von 390 acres Marihuana anzubauen. Gemeinsam mit zwei Freunden macht er sich auf in die Wildnis, wo sie eine Hütte beziehen und sich an die Arbeit machen. Doch das Leben in den Hügeln erweist sich als anstrengender, als die drei es sich erträumt haben. Dazu lassen schwere Rückschläge, hinterwäldlerische Nachbarn, der örtliche Sheriff, plötzliche Pilzerkrankungen und die sengende kalifornische Hitze das „Sommercamp“ zur Belastungsprobe werden. Weniger vielschichtig, dafür umso leichter und unterhaltsamer geschrieben, ein durchaus lesenswerter Roman. |
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T.C. Boyle: América (engl.: The Tortilla Curtain)
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Zentrales Thema des Romans ist die Problematik illegaler Einwanderung in die USA aus dem benachbarten Mexico. Schauplatz der Handlung ist Topanga Canyon, ein wohlhabendes Wohngebiet im Los Angeles County, nicht weit entfernt von der mexikanischen Grenze, dem so genannten „Tortilla Curtain“. Dort fährt der Amerikaner Delaney eines Tages mit seinem Wagen versehentlich einem Mann an. Dieser heißt Cándido, ist illegaler mexikanischer Einwanderer und hat verständlicherweise kein Interesse daran, den Unfall zur Anzeige zu bringen. Verletzt flieht er vom Unfallort, während Delaney noch über sein Auto und seine Versicherung nachdenkt. Doch fortan scheinen die Leben der beiden Männer schicksalhaft miteinander verbunden zu sein, treffen sie zufälligerweise doch immer wieder aufeinander. Dabei entwickelt sich Delaney, der sich anfangs selbst als liberalen Humanisten sieht, im Verlauf der Geschichte zunehmend zum Rassisten. Boyle beschreibt sehr anschaulich die unterschiedlichen Lebenssituationen sowie die räumliche Nähe zwischen Reichtum und Armut, ohne jedoch eine Wertung abzugeben. Der Roman erinnert stark an John Steinbecks „Früchte des Zorns“, aus welchem zu Beginn auch zitiert wird: „They ain’t human. A human being wouldn’t live like they do. A human being couldn’t stand it to be so dirty and miserable.” ... |
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T.C. Boyle: Wenn das Schlachten vorbei ist (engl.: When the Killing's Done) |
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Darf man töten, um zu bewahren? |
Der Mönch von Mokka ist kein Roman sondern erzählt die wahre Geschichte von Mokhtar Alkhanshali, |
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Die junge Protagonistin Mae wähnt sich im Himmel, als sie durch Schützenhilfe ihrer Studienfreundin Annie |
Wie auch „Der Mönch von Mokka“ (2018) ist „Zeitoun“ (2009) ebenfalls kein Roman, |
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Armistead Maupin: Stadtgeschichten, Bände 1-6 (engl.: Tales of the City) |
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Der Gesang der Flusskrebse (engl.: Where the Crawdads sing) |
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Zu diesem 2018 veröffentlichten Roman kam ich erst indirekt durch die gleichnamige Kino-Verfilmung von 2022. |
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John Steinbeck: Die Straße der Ölsardinen (engl.: Cannery Row) |
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"Die Straße der Ölsardinen" ist eine liebevolle Beschreibung des Alltags der
einfachen Leute im Fischerstädtchen Monterey der Dreißiger Jahre - Trinker,
Gelegenheitsarbeiter, leichte Mädchen und Lebenskünstler lassen den Leser an
ihrem Sorgen und Nöten, aber auch an ihren Freuden und Lebensphilosophien
teilhaben, wobei die Charaktere so liebenswert beschrieben sind, dass man sofort
mit ihnen sympathisiert.
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